Feuergefechte zwischen Polizisten und landlosen Farmern haben am Freitag (15.) in Paraguay mindestens 17 Menschen das Leben gekostet. Die Landwirte hatten sich mit Feuerwaffen dem Versuch der Polizei widersetzt, sie von einem 2.000 Hektar grossen Landgut in Curaguaty zu vertreiben, in das sie vor etwa drei Wochen gewaltsam eingedrungen waren. Nach dem Massaker hatte Präsident Fernando Lugo eine Dringlichkeitssitzung eingerufen und Innenminister Carlos Filizzola und Polizeichef Paulino Rojas entlassen.
Das Massaker wird als eine der schlimmsten Gewalttaten in der Geschichte von Paraguay im Zusammenhang mit einem Grundstück-Streit bezeichnet. Das 2.000 Hektar große Landgut gehört dem ehemaligen Senator Blas Riquelme, gegen den Bauernverbände einen Prozess wegen illegaler Aneignung staatlichen Besitzes gefordert hatten. Die paraguayische Wahrheitskommission, die bis 2008 Verbrechen der Diktatur von Generals Alfredo Stroessner (1954-1989) untersuchte, befand, dass bei der Übergabe des Landguts vom Staat an Riquelme 1975 zahlreiche Unregelmässigkeiten begangen wurden.
„Es besteht ein anhaltender Landkonflikt in der Geschichte von Paraguay“, erklärt Milda Rivarola, Historikerin und Soziologin in Paraguay. Bei der Gruppe, die hinter der Landbesetzung steckt, handelt es sich um die radikale „llama Liga Nacional de Carperos“. Diese nahm nach eigenen Worten das Land in Besitz, da es „unrechtmäßig“ von Riquelme erworben wurde.
Die paraguayische Wahrheitskommission hatte in ihren Untersuchungen festgestellt, dass Stroessner während seiner 35-jährigen Regentschaft fast sieben Millionen Hektar Grund und Boden (fast 19% der Fläche im ganzen Land) unregelmäßig verteilt hatte. Die Kommission sieht Riquelme als einen der Hauptnutznießer dieser Überschreibung von Grundstücken.
„Bei Paraguays Übergang zur Demokratie fiel ein großer Teil des Landes in nur wenige Hände. Dieses Land wird immer noch von rechten Parteien mit starker Unterstützung durch Landbesitzer kontrolliert“, so Historikerin Rivarola. Die Wahrheitskommission stellte in ihrem Juni-Bericht fest, dass fast eine Million Hektar Land zwischen 1988 und 2003 (nach dem Tod Stroessners) illegal vergeben wurde. „Dies ist ein gewaltiges Problem. Diese Flächen sind für die Agrarindustrie inzwischen sehr profitabel, unser Land ist stark abhängig von Landwirtschaft und Viehzucht. Präsident Lugo versprach, die Problematik während seiner Amtszeit zu lösen. Jetzt, kurz vor Ende seiner Amtszeit, bleibt das Problem weiter ungelöst“, klagt Rivarola.
Eine integrierte Agrarreform umzusetzen, war das zentrale Wahlversprechen von Lugo in seiner Wahlkampagne. Lugo bezeichnete die ausstehende Agrarreform als „delikates Thema“, die nun zu einer der härtesten Krise in seiner Amtszeit wird.
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