Sie haben oft keine Eltern, keine Familie, keine Nahrung, kein Dach, keine Bleibe, kein Bett, nicht einmal eine Decke. Sie leben zwischen den Trümmern und verstecken sich vor der Polizei, niemand versteht sie, hilft ihnen. Aber einige kommen zu uns in die ESMONO, es sind gegen 100. Dort versteht man sich, lebt ein bisschen unter seinesgleichen, versucht nicht nur etwas lesen und schreiben und malen zu lernen, sondern auch einen Augenblick zu lachen und „glücklich“ zu sein.
Der Karneval ist eines der ältesten Frühlingsfeste, das in allen Ländern und sozialen Schichten gefeiert wird. Ubd zwar ganz verschieden, den Karneval von Rio kennt wohl jeder. Auch in allen karibischen Ländern rollen Bühnenwagen mit pompösen, derb-humorvollen, oft politischen oder sexistischen Dekorationen und Tanzgruppen durch übervolle Strassen, und die Plätze auf den umliegenden Zuschauertribünen müssen Monate zum Voraus gekauft werden. Karneval ist eine Veranstaltung, an der man – heute wenigstens – auch beissende Kritik an Erlauchten erlaubt ist.
Es gibt auch einen Karneval der Blumen, einen Karneval der Studenten und keinen Karneval, den es nicht gibt, und so haben wir selbst einen Karneval der Kokorat eingerichtet, wie man hier die Strassenkinder nennt. Damit die auch einmal feiern und lachen können. Wie „normale“ Menschen.
Auch Fasnachtsleckereien gehören zu den beliebten Bräuchen, wie die „Schenkeli“ und Fasnachtschüechli. Wie sie HIER heissen weiss ich auch nicht, sie werden an allen Strassenständen feilgeboten. Und die Lehrerinnen schmürzeln sie in der ESMONO-„Schulküche“, es riecht herrlich, und ich hätte gern probiert. Aber ich musste mir sagen lassen, dass sich mein zahnloser Mund nicht mehr so gut eignet, die Chüechli scheinen also härter als „bei uns“ zu sein.
Bedeutend besser bin ich da mit den Getränken dran; ein liebes Leserpaar hat uns für Schulfester kistenweise „Shorley“ aus der Ostschweiz geschickt, und für mich und erwachsene, glustige Lehrer war sogar echter Möhler Apfelwein dabei. Aber bitte denkt jetzt nicht, die unscharfen Fotos seien ein Ergebnis davon – der Strom der Kamera-Batterie ging aus, und so hat eine Lehrerin mit dem Handy weiter geknipst, so weit sind wir ja heute.
Jedenfalls war die Freude der Kokorat riesengross, und sie wären am liebsten stracks in das Land gekommen, wo es so herrliche Säfte gibt. Endlich war wieder Necken und Lachen angesagt. Nach dem Trinken folgt das Tanzen, das liegt in der Karibik den Kindern wie Karneval im Blut. Die herrliche Musik muss nicht zuerst aus der Schweiz importiert werden, lüpfige CD’s gibt es hier jede Menge. Die Rhythmen und Klänge sind Gold für Glieder und Ohr, das sieht man doch auf den Fotos, trotz der Unschärfe? Strom für die Bässe des Lautsprechers gibt es indessen auch in der Schule, Begeisterung auch, wenn etwas fehlt, ist es nur noch der Platz.
Moderne Telefone eignen sich heute nicht nur zum Fotografieren, sondern Laptops sogar zum Filme anschauen. So werden als Höhepunkt ein paar Filme gezeigt, die in ihrer internationalen, sprachlosen Machart sogar für kreolische Kokorat verständlich sind.
Das alles ist für die Knirpse völlig neu und noch unglaublich, so interessant und spannend, dass sie den „Saal“ zum Bersten füllen und auf die Fastnachtsferien verzichten, an denen sich jetzt andere Schulen freuen. Aber morgen ist schulfrei, und zum Privatplausch vorgesehen.
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