Haiti: Im Urwald wachsen die Bäume nicht in den Himmel

Dachschule

Datum: 01. März 2013
Uhrzeit: 21:01 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Wir haben unten auf dem Schluchtgrund von Lakou-mango ja keinen Wolkenkratzer erwartet, aber immerhin ein Holzschulhaus, das wir auf dem Dach wiederbeleben wollten. Doch Haïtis haben nicht so lange Geduld wie die weissen Oberköpfe, Planer und Emeriten (Super-Ausgebildeten), denen die „Qualität“ erst genügt wenn man sie nicht mehr braucht oder das Geld ausgeht. Denn sie stängeln schnell, und das lässt sich durch Planen nicht bremsen. Die Motivation auch nicht.

Dachschule

Kurzerhand wird das Schulhaus mit einer riesigen Zeltplache (Plane) überdacht, und fertig ist das Obergeschoss. Fertig für Lerngäste von Hilfswerken für Behinderte, Erwachsenenbildung und „Volkshochschule“, fertig für die Einweihungsfeier und fertig für Karneval. Das Feiern ist deftig, die haben es nötig.

Süssmost

Die Begeisterung wird noch geschürt durch Freunde und Leser, die für Kokorat (Strassenkinder) und Behinderte kistenweise Schweizer Shorley (Süssmost) und Ballone schicken, und was sonst noch so beim Festen hilft.

Und weil heute Lach- und Freudentag ist, lassen selbst Zobies das Tanzbein klappern. Und WIE das klappert, das hättest du hören sollen, und die Kinder lachen noch wilder! Schwer sie glauben zu machen, dass das nur Hirngespinste und Lachfiguren sind, wenn zuhause jedermann beteuert, das sei doch pure Wahrheit … Wie weit kann und darf Schule denn Volkskultur, Grossmutter, Elternhaus und „Wahrheit“ korrigieren?

Vor Freude wird vergessen, dass man eigentlich auf ein hölzernes Schulhaus wartet, das noch auf dem Dach Platz finden sollte. Aber das hat jetzt seine Zweckbestimmung selber gefunden, und für das Schulhaus wäre gar kein Platz mehr. Man müsste direkt die Zelte wieder abbrechen und den hoffnungsvollen Neubeginn verkopfen und stören.

Ankunft

6 Monate dauerte die Fahrt und 2 Monate die Bürokratie, nicht gerechnet für die anderen 3000 Container der Schiffsladung. An Deck schlief sich herrlich, und aus dem Sommer- wurde ein Winterschlaf. Doch in den Tropen da gibt es keine Jahreszeiten. NEW-ESMONO schreckt jäh auf aus dem Winterschlaf, und es wird stotzig. Der Containerdampfer ist schon wieder auf dem Weg in den Winter, unsere Ladung klimmt höher, wenigstens teilweise. Sie hat sich selber „zerlegt“. Es lauern Ecken und Klippen, der Container hatte zu viele „Ingenieure“ und „gelernte Brüder“ gestopft und ist offenbar umgekracht. Es befinden sich noch andere Häuser an Bord, nur können die „Gelernten“ die Teile nicht unterscheiden, auch nicht die Farben (die Bauteile seien farbig markiert … ). Es wimmelt von arbeitslosen und natürlich kostenpflichtigen „Ingenieuren“ die Arbeit suchen, wir können sie allesamt mitnichten gebrauchen. Wir ziehen „Lakou-mangoianer“ vor.

Schiff

Ein kurzer Blick auf die Bescherung genügt. da liegen „Häuser“ nur so auf Haufen. Nix für uns! Für Hilfsgüter hingegen hat man uns nicht vergessen. Matratzen, Medikamente, Zelte und eine Menge anderer Hilfsgüter sind angekommen und hoch willkommen, den Spendern vielen Dank! Einigen Knirpsen, die nicht einmal ein Zuhause haben, können wir dieses leider nicht ersetzen, aber sie müssen nun wenigstens nicht mehr auf dem harten, kalten Zementboden schlafen, sie dürfen jetzt wohl ihren ersten „Luxus“ geniessen, hoffentlich bleibt das nicht der einzige.

Abtransport

Und schon läuft die Schule auf dem Dach, läuft wie geschmiert. Kinder und auch einige Erwachsene holen sich da, was sie in dieser „Futterkrippe“ erschnüffeln. Wenn es auch nur selten Futter zum Essen und Trinken ist, so hilft doch Manches für Kopf, Herz und Hand, das Leben etwas erträglicher zu gestalten.

Dachschule

„ESMONO“ bedeutet ja auf deutsch „Sonne über den Schwarzen Bergen. Und wenn du die aufgestellten Lieder hörst, angetrieben von feurigem Klatschen, dann verstehst du was ich meine wenn ich behaupte: „Die Sonne ist aufgegangen über den Schwarzen Bergen!“

In der Schweiz wurde uns ein Dach aus Well-Eternit gespendet. Es ist bereits im Container verpackt und wir bitten noch um Spenden für den Transport (Otto Hegnauer Migrosbank IBAN CH0708401016802863506 Migrosbank Winterthur SWIFT MIGRCHZZ80A)

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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