Dieser Artikel ist tripelzüngig. Er betrifft die Morgenstimmung, unsere Schule und mein Leben. In meinem Bett wusste ich stets den Blick auf Gold einzurichten, diesmal Gold am Himmel, Grâce à Dieu (So Gott will). Das pflegen in Haïti die Menschen jeden Augenblick zu sagen. Sie haben ihre Gründe.
Gerade heute hörte ich in den Schweizer Nachrichten, dass es dort kaum mehr Organisten und entsprechende Ausbildung gibt; ich hatte das Lehrerseminar im Wettinger Zisterzienser Kloster von 1227 absolviert. Zur Lehrerausbildung gehörte auch das Spiel von Klavier und, freiwillig dazu, der Orgel. Ich hatte es nie zur Meisterschaft gebracht, genoss aber die besondere Klangwelt dieses Wunderinstruments. So biwakierte ich verbotenerweise unter Kirchenbänken, damit mich frühmorgens ein Meister mit seiner Konzertübung aus dem Schlaf spielte. Das war ein besonderer Genuss (Minuet).
Immer wieder hab ich sie gesucht und gefunden, die goldenen Stimmungen zum Erwachen unter den Sternen, unter der obersten Arve über der Waldgrenze am Piz Mezzaun nahe dem Nationalpark, im Sandbett der Sahara neben den schmatzenden Kamelen und unter dem Konzert der Hähne und Hunde, oder aus einer Oase herauf, aus dem Berghüsli meines Vaters inmitten von Gletschern, damals hoch über der Sustenpassstrasse,
Auch in der Bergburg schlafe ich gewöhnlich nicht unter freiem Himmel, aber mit offener Tür, vor allem im Sommer wenn es warm ist. Und so entgeht mir auch hier selten ein Ohrenschmaus, von den nächtlich vorbeischwatzenden Marktfrauen bis zu den Megaphongesängen des Nachtwächters.
Und ich sauge die Natur schon ein wenn sie mich frühmorgens weckt, mit purem Gold im Osten, wo über einer fernen Kordillere die Grenze zur Dominikanischen Republik verläuft und die Berggeister nicht mehr wissen, wo sie ihre goldene Flut noch abladen sollen, es ist kein Platz mehr für noch mehr Gold. Ich beeile mich zu genießen, denn schon nach Minuten ist es vorbei, weicht dem Grau des Alltags, der das Gold meisterhaft versteckt.
Heute scheint es in die Länge gezogen, nach der Losung «Mit achtzig fängt das Leben an».
A propos «Morgengold nach langer Nacht» meine ich das symbolisch. Das Wetter kann auch einmal trüb spielen. Wenn ich den Blick von der Grenzkordillere genug senke, fällt er auf den tiefen Schluchtgrund von Lakou-mango, der noch im Nachtschatten dahindöst, und mitten in den mageren Steinhäuschen des Dörfchens liegt die «Soleil sur les Montagnes Noires», unsere Schule, die noch im Morgengrau am Erwachen ist und gleich beginnt sich aufzugolden.
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