Wenn wir auf einer Weltkarte die Epizentren aller großen Erdbeben eintragen, solang es Aufzeichnungen gibt, können wir narbenartige Runzeln und Krähenfüße erkennen, die das Gesicht unseres Planeten bestimmen. Manchmal bluten die Runzeln, und der Planet schüttelt sich vor Schmerzen. Die Krähenfüße speien auch Feuer, Dampffontänen, Flüssiggesteine, Gläser, Giftgase, verbrannte Erden, Tsunamis und andere Schreckensgebilde aus.
Besonders fällt der Mittelatlantische Rücken auf, dessen Hochgebirgsketten aus dem Boden des Ozeans aufragen und mit den höchsten Gipfeln als Vulkaninseln auftauchen. Der Zentralgraben, ein 25 bis 50 Kilometer breiter und bis 7700 m tiefer Grabenbruch, durchzieht das 6000 km lange Gebirge von A bis Z. Der Graben wird breiter und breiter, denn hier entfernen sich durch die Plattentektonik die amerikanischen und anderen Platten voneinander, dabei strömt der Ausfluss des Erdinnern in die Fluten.
Wir erkennen auch andere tektonisch-vulkanisch-seismisch aktive Zonen, so die ringförmige Runzelzone rund um die Großen Antillen, unter denen sich die Karibische Platte ( grün ) nach Osten, die Nordamerikanische Platte ( rot ) nach Westen verschiebt. Dabei reiben sie aneinander, sodass sich extreme Spannungen aufbauen, die sich eines Tages unter fürchterlichen Folgen entladen.
Im Gebiet des Erdbebens vom 12. Januar 2010 ist die Bewegung zwischen den Platten auf zwei große Verwerfungen aufgeteilt, die von West nach Ost laufen: in die Septentrional-Verwerfung im Norden und in die Enriquillo-Plantain-Garden-Verwerfung (Enriquillo-Plantain Garden Fault Zone, EPGFZ) im Süden der Insel. Erdbeben und deren Folgen betreffen in unterschiedlichem Ausmaß Gebiete und Bevölkerung beider Staaten.
Das letzte schwere Erdbeben fand am Abend des 12. Januar 2010 statt. 3 Millionen Menschen waren von der Naturkatastrophe betroffen, sie forderte 300’000 Todesopfer, 300’000 weitere Personen wurden verletzt und 1,2 Millionen obdachlos. Zehn Tage nach dem Beben wurde die Suche nach Überlebenden offiziell eingestellt. „Am Abend desselben Tages wartete ich mit anderen Schweizer Opfern im Evakuationsbus nach Santo Domingo. Im letzten Moment kamen noch zwei Helferinnen in Montur des Humanitären Hilfswerks der DEZA ( Schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, ich zitiere mich selbst ), dessen Aufgabe es ist, „Leben zu retten und Leiden zu lindern“. Sie trugen kohlschwarze, sauber gewaschene Babies in den Armen, die mit großen, verängstigten Kolleraugen ins Scheinwerferlicht lugten und darum bebten, was mit ihnen geschehe. Aber es war wohl nur Gutes, die Babies hatten Glück, in den Armen der ausgebildeten Helferinnen, in Santo Domingo und schließlich in den Armen der Schweiz zu landen, wo ihnen wohl Geburtsurkunden, neue Namen, Papiere und eine Schweizer Bürgerschaft verpasst wurden. Unzählige Babies (und auch Non-Babies) hatten weniger Glück, sie wurden in den Trümmern noch nach Wochen lebend und nur zufällig, die meisten aber überhaupt nicht gefunden und starben einen grässlichen, qualvollen Tod.“
In den letzten 300 Jahren haben sich in Haiti mindestens 13 ähnliche Erdbeben mit Stärke 6 und mehr wiederholt, in den letzten 50 Tagen waren es 130 mit Mindeststärke 4. Die großen Beben waren alle von Tsunamis begleitet. Im Durchschnitt hat somit alle 20 Jahre ein mörderisches Erdbeben gewütet.
12.1.2010, Port-Au-Prince – Leogâne, Epizentrum in 18.27.36 N, 72.31.48.O, Hypozentrum in 13-17 km Tiefe, Stärke 7-8
2.3.1994, Saint-Louis Du Nord, Epizentrum in 19.48.11.N, 72.47.56.O, Hypozentrum in 59 km Tiefe, Stärke 5,4
25.1.1953, Haïti, Epizentrum in 18.24.0.N, 73.24.0.O, Stärke 5,7
23.9.1887, Mole Saint Nicolas, Epizentrum in 19.42.0.N, 74.24.0.O
19.5.1864, Haiti: Santo Domingo, Epizentrum in 18.6.0.N, 72.18.0.O
8.4.1860, Anse-à-Veau, 124 Häuser v erschwunden, die Erdstöße wurden auch auf Schiffen im Hafen von Les Cayes und auf See gespürt
7.5.1842, Cap-Haitien und Sans-Souci-Palast zerstört, Epizentrum in 19.45. 0 N, 72.12.0. O, Stärke 8,1
12.4.1793, Haiti-Santo Domingo, Epizentrum in 19.0.0.N, 72.18.0.O
29.7.1784, Petit Goave, Leogane, Port-Au-Prince, Epizentrum in 18.30.0.N, 72.18.0.O
18.12.1775, Epizentrum in 19.0.0.N, 72.24.0.O
3.1775, Epizentrum in 19.0.0.N, 72.24.0.O
3.6.1770, Port-Au-Prince, Epizentrum in 18.30.0.N, 73.24.0.O, Stärke 7,7
21.11.1751, Port-Au-Prince, Epizentrum in 18.30.0.N, 72.18.0.O
9.11.1701, Port-Au-Prince, Epizentrum in 18.18.0.N, 72.24.0.O, Port-au-Prince, Leogane & Petit Goave zerstört, Bodensenkungen, bebte mehrere Monate, Stärke 8
Leider kein Kommentar vorhanden!