Brasilien: Sitz einer ehemaligen Nazi-Kolonie wird abgerissen

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Fußballmannschaft posiert mit Hakenkreuz-Fahne (Foto: Baretta da Silva/revistadehistoria)
Datum: 22. Januar 2014
Uhrzeit: 09:04 Uhr
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Auf einem Bauernhof in Cruzeiro do Sul (Bundesstaat São Paulo) posiert eine Fußballmannschaft für ein Erinnerungsfoto. Nichts Besonderes, außer dass ein Betreuer eine riesige Hakenkreuzfahne in den Händen hält. Das Meinung von Historikern stammt das Bild wahrscheinlich aus den 1930er Jahren, nachdem am anderen Ende der Welt die NSDAP die Macht in Deutschland übernommen hatte. Die Farm war offensichtlich der Sitz der brasilianischen faschistischen und antisemitischen Partei „Ação Integralista Brasileira“ (AIB), die zwischen 1933 und 1938 aktiv war. Der neue Eigentümer hat nun beschlossen, den Anbau von Rohrzucker zu forcieren und die alten Gebäudereste auf dem Areal vollständig abzureißen und zu entfernen. Dabei wurden allerlei Nazi-Symbole entdeckt, welche die Verbundenheit der Partei mit Hitler-Deutschland belegen.

Wandschmierereien und Hakenkreuze fand man schon in der Vergangenheit. „Vor kurzem hatte ein Schwein die Wand seines Stalles zum Einsturz gebracht und ich sah mir die Mauerreste genauer an. Ich dachte ich würde halluzinieren. In jedem Stein war ein Hakenkreuz eingemeiselt“, wunderte sich der Landwirt Jose Ricardo Rosa Maciel. Er hat das Land inzwischen verkauft und gab in einem Interview bekannt, dass der Vertrag mit einer Geheimhaltungsklausel versehen war. Der Name des neuen Besitzers durfte nicht genannt werden. Da sich das Land in Privatbesitz befindet, konnten die zuständigen Behörden trotz des kulturellen Interesses den Verkauf nicht verhindern.

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Der Hof wurde Anfang des letzten Jahrhunderts von Luis Rocha Miranda, einem Sympathisanten der faschistischen Bewegung gekauft. Das Anwesen hatte Stromgeneratoren, eine zementierte Landebahn, einen eigenen Bahnhof und aus den Vereinigten Staaten importierte Silos. Laut dem Forscher und Historiker Sidney Aguilar Filho, Professor an der Staatlichen Universität von Campinas, war der Hof Schauplatz eines Sklavensystems. Die Brüder Rocha Miranda brachten 50 Kinder und Jugendliche aus dem Waisenhaus Duarte Romao (Rio de Janeiro) ein paar Monate nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland auf die Farm. Die Namen der „Importierten“ wurden durch einen Zahlencode ersetzt, sie mussten sich Nazi-Riten unterwerfen und rund um die Uhr schuften.

Mit dem Ende der AIB im Jahre 1937 wurden die Kinder freigelassen und die „Erkennungszeichen“ des Nationalsozialismus vor Ort beseitigt. In den 1960er Jahren wurde der Hof von dem Deutschen Arndt von Bohlen und Halbach erworben und diente als Urlaubsort für die Familie. Jahre später wurde das Anwesen verkauft und der neue Eigentümer verwendete die mit Hakenkreuzen verzierten Steine zum Bau eines Schweinestalls.

Historiker bezeichnen es als Katastrophe, wenn nun der komplette Abriss erfolgt. „Dieser Ort ist öffentliches Eigentum, auch wenn dies nicht vom Staat anerkannt wurde. Was dort geschah ist natürlich unbequem, darf nicht verleugnet und muss gesagt werden. Die Forschungen über diesen Nazi-Stützpunkt und die Sklavenhaltung der Kinder ist noch nicht abgeschlossen und nicht vollständig“, beklagt Aguilar. Nach seinen Worten gibt es „noch viel über die Beziehungen des Bundesstaates mit dem NS-Regime zu erforschen“.

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