Ich habe Haiti als „das Land der Helden“ bezeichnet, heute erzähle ich vom „Land der Schein-Heiligen“. Nicht dass ich die ehrenwerten Helfer für Millionen von Kindern verunglimpfen möchte, die sind ja bestimmt in überwiegender Mehrzahl. Sie erinnern sich vielleicht, dass mein Freund Hans, als er noch lebte und die Stiftung „SOS-Enfants Haïti“ leitete, sich schwer tat, die heiß gefragten Patenschaften zu vermitteln. Er erfand deswegen die Einrichtung der „Kollektiv-Patenschaften“. Damit ließ sich aber das Ziel kinderloser Eltern, ein „richtiges“ Kind bei der Familie zu haben und aufzuziehen, nicht erreichen. Dieses verständliche Ziel ist eben mit dem eines sicheren Schutzes der Kinder vor Missbrauch und Pädophilie nicht vereinbar.
Sie erinnern sich auch, dass ich schon vor vielen Jahren eine Art von Tourismus bemängelte, die mir nicht gefiel, aber immer wieder auffiel. Ich musste in einschlägigen Hotels wiederholt ganze Gruppen offenbar (irre?)geführter Damen beobachten, die zuerst allein, nach wenigen Tagen aber plötzlich in Begleitung von Kleinkindern auftraten und nach einigen weiteren Tagen auch mit diesen verschwanden. Sicherlich in „entwickelte Länder“. Da gibt es eben „gute“ Schulen, Erziehung, Kultur – aber wohl eine ganz andere, als die Kleinen sich gewohnt sind. Und vielleicht gab es da sogar „Glück“, wer kann das je beurteilen. Sie kamen aus den Waisenhäusern, und brachten diesen wohl recht viel Geld. Ich hoffe nur, dass die Kleinen wirklich Waisen waren.
Schon vor dem Beben untersuchten internationale Forschungsprojekte die Kinderarbeit in Haiti und fanden heraus, dass 225’000 Kinder in die Sklaverei gezwungen waren und in haitianischen Städten ohne Bezahlung arbeiten mussten. Laut UNICEF waren 2002 etwa 172’000 Kinder als Sklaven eingesetzt. Laut Pan American Development Foundation wurden viele Mädchen sexuell missbraucht. Das Schicksal der Kinder-Bediensteten war allgemein bekannt und eine Schande für Haiti, das vor 200 Jahren durch einen Sklaven Aufstand gegründet worden war.
Nach dem Beben kamen hundertausende von echten Waisen dazu, es gibt davon jetzt Millionen. Die Gefahr illegaler Machenschaften ist damit unendlich gestiegen. Kinder wurden zwar schon zu tausenden ordentlich adoptiert, werden aber auch verkauft, verdingt, entführt, versklavt, in die Bordelle der ganzen Welt verschleppt. Man erinnert sich der Quäker, einer amerikanischen Sektenmission, die mit 33 Kindern beim Grenzübertritt nach der Dominikanischen Republik verhaftet worden waren. Die Kinder verfügten über keine Papiere und sollten wie man vorgab in ein Waisenhaus im Nachbarland verschleppt werden. Die Polizei fand heraus, dass es mit einer Ausnahme gar keine Waisen waren. Angeblich wurden die Eltern gefunden und waren laut Protokollen dankbar für die Rückgabe ihrer Kinder.
Ich weiß allerdings, dass viele Eltern ihre Kinder auch gegen gutes Geld verkaufen, was aber schwieriger zu beweisen wäre. Die Quäker wollten durch den Verkaufserlös wohl ihre Mission finanzieren oder sogar daran verdienen, meine Mitarbeiterin meinte dazu, solche Vorkommnisse seien „normal“, ein Unfall sei viel mehr, dass die Quäker der korrupten Polizei zu wenig bezahlt hätten. Das wäre ja noch trauriger, aber für mich nach zwanzig Jahren Haiti durchaus nachvollziehbar. Es ging hier wohl eher um Kindsentführung als um Pädophilie; die Pädophilie wäre dann ein Folgeverbrechen bei den Empfängern gewesen. Die Quäker jedenfalls quaken jetzt hinter Schloss und Riegel, hoffentlich für lange Zeit und ohne Freisetzung durch neue Erdbeben.
Hallo!
Ein kurzer Hinweis in aller Freundschaft. Als Quäker muss ich mich dagegen verwahren, dass es sich um „Quäker Missionare“ gehandelt hat, es waren Baptisten, wie auch leicht zu recherchieren ist. Da besteht ein erheblicher Unterschied. Quäker missionieren nämlich nicht. Sie helfen : http://www.afsc.org/haiti/
Jochen
@Jochen Dudeck
Du schreibst: „Quäker missionieren nämlich nicht.“
Ich fürchte die Behauptung ist unhaltbar. Sehe:
Christian Quaker Internet Mission
Evangelical Friends Mission
Friends United Meeting – Global Ministries
Gruß