Als „Zeichens des Vertrauens“ sah Ruy Amparo, Vize-Präsident für Betrieb und Wartung der brasilianischen Fluggesellschaft TAM, seinen Ausflug nach Brasília. Am heutigen Mittwochmorgen (26.) bestieg er im Stadtflughafen Congonhas von São Paulo eine Maschine seiner Airline und nahm entspannt Platz. „Alles was hier geschieht, obliegt meiner Verantwortung. Darum werde ich mitfliegen“ hatte er den Reportern noch in der Abflughalle in die Mikrofone diktiert. Dabei sollte es laut einer prominenten Prophezeiung ein kurzer und unruhiger Flug werden.
Warum unternahm Amparo also den gut 100-minütigen Flug von der Millionenmetropole in die brasilianische Hauptstadt? Es ist der Höhepunkt und zugleich das Ende einer unglaublichen Flug-Posse. Alles begann mit der Weissagung des in Brasilien durchaus prominenten Mediums Jucelino Nóbrega da Luz vor gut neun Jahren. Der 54-jährige wird nach eigenen Angaben seit seiner Kindheit von Visionen und Träumen heimgesucht. So wusste er im Voraus von den Terroranschlägen vom 11. September 2001, zahlreichen anderen Unglücksflügen wie MH 17, Tsunamis oder gar Verbrechen wie die jüngsten brasilianischen Korruptionsaffären. Und er wusste natürlich auch, wann Prinzessin Diana oder Ayrton Senna ums Leben kommen würden. Stets präsentierte er – meist danach – angeblich bereits Monate oder sogar Jahre zuvor ausgefertigte und beurkundete handschriftliche Dokumente als Beweis.
Linienflug soll in Hochhaus rasen
Im jüngsten Fall liess er die Bombe jedoch schon vorher platzen. TAM-Linienflug JJ 3720 mit Abflug um 8:30 Uhr würde am 26. November kurz nach dem Start in São Paulo Probleme an einem Triebwerk aufweisen und in ein Hochhaus in der Avenida Paulista, der wohl bekanntesten Straße der Metropole, rasen. Jucelino Nóbrega da Luz hatte seine Weissagung zwar bereits 2005 samt den Unterschriften zahlreicher Zeugen dokumentieren und beglaubigen lassen. In Erinnerung gerufen hatte sich der visionsgeplagte Brasilianer seine eigene Prophezeiung allerdings erst nach dem Flugzeugabsturz von Präsidentschaftskandidat Eduardo Campos im August dieses Jahres. Das Unglück in der Hafenstadt Santos hatte er zwar ebenfalls vorhergesehen, anscheinend jedoch leider vergessen zu dokumentieren.
Im Fall des nun erwarteten Flugzeugunglücks konnte er sich allerdings nicht herausreden, auch wenn seine Behauptungen von den Medien zunächst nicht aufgegriffen wurden. Erst eine Mitteilung der mutmaßlich betroffenen Hausverwaltung in der Avenida Paulista an die Mieter und Angestellten der dort ansässigen Firmen sorgte für echtes mediales Interesse. Obwohl eher schmunzelnd über die Aktion berichtet wurde, bekam es die Marketingabteilung der Fluggesellschaft anscheinend mit der Angst zu tun. Kurzerhand wurde in der vergangenen Woche still und leise die Flugnummer umbenannt. Die Medien bekamen es jedoch spitz und Flug JJ 4732 mutierte zum echten Medienereignis. Man habe die Nummer geändert, um die Sensationsgier nicht zu schüren, so Amparo heute. Und setzte erklärend hinzu: „Wir respektieren den Aberglauben, vertrauen jedoch auf die Wartungsarbeiten“. Warum das ursprünglich geplante Fluggerät heute beim mutmaßlichen Unglücksflug im Hangar blieb sondern eine baugleiche Maschine vom Typ Airbus A319 zum Einsatz kam konnte oder wollte der gelernte Ingenieur auch auf mehrfache Nachfrage nicht verraten.
Seher irrte sich auch bei Fußball-WM
Den prophezeiten Flugzeugabsturz hat es bekanntermaßen nicht gegeben, die Katastrophe blieb aus. Weder die Turbine machte Probleme, noch flog die Maschine überhaupt in die Nähe der Avenida Paulista. Sie landete sicher in Brasília, gesteuert laut Amparo vom für diesen Flug schon lange zuvor eingeteilten Piloten. Den Passagieren war die Erleichterung allerdings nach der Landung anzumerken. „Ich hatte meiner Familie nicht gesagt, dass ich den prophezeiten Unglücksflug nehme“ so ein Passagier. Und ein anderer gab zu, entgegen den Gewohnheiten vor dem Start seiner Frau eine Liebeserklärung gesimst zu haben. Ein bisschen Furcht war also doch im Spiel. Auch in São Paulo hatten sich einige Mitarbeiter extra für heute freigenommen. Trotz aller Skepsis will man das eigene Schicksal ja nicht herausfordern.
Jucelino Nóbrega da Luz hat sich zu seinem zweiten großen Fauxpas in diesem Jahr übrigens noch nicht geäußert. Zuletzt weissagte er, dass Argentinien das WM-Finale gegen Gastgeber Brasilien gewinnen würde. Von der deutschen Nationalelf hatte er damals anscheinend nicht geträumt.
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