Im Rahmen ihres Bürgerdialogs „Gut Leben in Deutschland“ hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel an einer Schule in Rostock vor wenigen Tagen eine vielbeachtete Begegnung mit dem palästinensischen Flüchtlingsmädchen Reem. Die Schülerin berichtete über die Belastungen während eines Asylverfahrens und über die Angst vor einer drohenden Abschiebung. Über den Dialog berichteten alle großen Zeitungen in Lateinamerika, in Brasilien wurde auf die Lage der haitianischen Einwanderer hingewiesen, die im größten Land Südamerikas sehr oft wie Sklaven behandelt werden.
Das verheerende Erdbeben hat im Jahr 2010 rund 230.000 Menschen auf der Karibikinsel Hispaniola (Haiti, Dominikanische Republik) getötet. 1,5 Millionen Menschen wurden obdachlos und 56.000 Haitianer wanderten in ihrer Not nach Brasilien aus (Angaben Justizministerium). Die meisten von ihnen strandeten im Bundesstaat Acre (Südwesten des brasilianischen Amazonasbeckens) und reisten von dort mit dem Bus in die südlichen und südwestlichen Bundesstaaten des Landes. Viele von ihnen suchten Hilfe in der Friedensmission in São Paulo, durch die mehr als 20% der in Brasilien eingewanderten Haitianer „durchgeschleust“ wurden. Die Organisation versucht, den immer größere Migrantenansturm zu bewältigen und den Menschen zu helfen. „Im Jahr 2010 kamen in der Friedensmission die ersten 28 Haitianer an. Im Jahr 2011 bereits 70, im Jahr 2012 rund 800 und im Jahr 2013 bereits 2.400. Im Jahr 2014 waren es bereits 4.680“, berichtet Pater Paolo Parise.
Die Sprache ist ein großes Hindernis für die ankommenden Flüchtlinge. „Ein Kind, das die Möglichkeit zum erlernen unserer Sprache hat, kann die Kluft zwischen der neuen Realität und dem Herkunftsort überbrücken“, so Parise. Erwachsene haben Probleme bei der Inkulturation und so ist es nicht verwunderlich, dass hochspezialisierte Haitianer (Professoren/Mathematiklehrer) einen Job auf dem Bau oder in der Fabrik annehmen. Viele von ihnen werden nach sechs Monaten gefeuert, ohne je einen Cent verdient zu haben. Da sie kein Portugiesisch sprechen, hat eine mögliche Klage keine Aussicht auf Erfolg. „Viele Brasilianer oder brasilianische Unternehmen betrachten Haitianer als Sklaven“, klagt der Haitianer Robert, Professor für Mathematik.
Obwohl er selbst das Gefühl hat, in Brasilien diskriminiert zu werden, wurden seine zwei jungen Töchter in der Schule ohne Probleme empfangen. 1.500 haitianische Schüler sind bereits in den brasilianischen staatlichen Schulen eingeschrieben, 262 in Santa Catarina. Im südlichen Bundesstaat gibt es eine erhebliche Anzahl Deutschstämmiger, berühmt wegen seiner deutschen Fachwerkhäuser und seines Oktoberfests ist Blumenau. Dort sind die haitianischen Schüler die Stars im Geographie-Unterricht. Reisen aus der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince über Panama nach Venezuela und ins brasilianische Manaus wecken das Interesse der Mitschüler. Die Lernenden aus dem fernen Haiti fühlen sich nach eigenen Worten wohl in der im Jahr 1850 von deutschen Einwanderern unter Leitung des Apothekers Hermann Blumenau gegründeten Großstadt und sprechen von einer Multikulturalität.
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