Seit einem Vierteljahrhundert boomen die Pfingstkirchen im südamerikanischen Land Brasilien – eine unüberschaubare Fülle großer und kleiner, lokaler und globaler Kirchen, die sehr unterschiedlich ausgerichtet sind. Neben Katholizismus, Protestantismus und Orthodoxie entsteht mit dem Pentekostalismus ein vierter Zweig des sogenannten Christentums. Eine neue Form, Christ zu sein, ist im Werden. Während Millionen von Brasilianern in armseligen Hütten vor sich hin vegetieren und nicht wissen, wie sie den Monat finanziell überleben sollen, eröffnen die Pfingstbewegungen einen Mega-Tempel nach dem anderen.
2014 öffnete in São Paulo ein evangelikaler Mega-Tempel seine Pforten, zur Einweihung kam selbst Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff. Nach Schätzungen beliefen sich die Kosten des 74.000 Quadratmeter großen und 10.000 Menschen fassenden Gebäudes auf etwa 680 Millionen Reais (damals rund 224 Millionen Euro). Für das „neue Reich Gottes“ wurden 28.000 Kubikmeter Beton und fast 2.000 Tonnen Stahl verbaut. Das Vorderhaus hat 11 Etagen und misst 56 Meter in der Höhe. Die Pfingstbewegung scheute keine Mühe und Kosten und ließ die Steine für den gesamten Boden und des Altars der Tempelanlage aus Hebron in Israel einfliegen. Eine etwa sieben Millionen Euro teure Lichtanlage soll die Abendstimmung in Jerusalem imitieren. Am Dienstag (1.) gab die Igreja Internacional da Graça de Deus (Universalkirche des Königreichs Gottes) bekannt, einen „Tempel der Gnade“ in Bom Retiro (Zentral-Region in São Paulo) zu errichten.
Auf einem Gesamtgrundfläche von 68.000 Quadratmetern wird der Tempel einst Platz für 10.000 Personen bieten. „Lassen Sie uns etwas Schönes für die Herrlichkeit Gottes bauen“, gab Romildo Ribeiro Soares, selbsternannter Missionar, Tele-Evangelist, Sänger, Songwriter und Führer der in Rio de Janeiro gegründeten Kirche von Gottes Gnaden während seiner TV – Show bekannt. An der Verlegung des Grundsteins des Gebäudes nahmen wie gewohnt wichtige Persönlichkeiten aus Kirche und Politik, darunter der tief im Korruptionssumpf dümpelnde Präsident der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha (PMDB), teil. Neben zwei Gebäuden mit vier Etagen und weiteren mit neun Etagen wird das neue religiöse Zentrum auch eine pompöse Tiefgarage, Amphitheater und einen Hubschrauber-Landeplatz bekommen. Damit die „Gläubigen“ den Fortschritt der Bauarbeiten verfolgen können, überträgt eine Kamera auf der Vorderseite einer Bühne in Echtzeit. Über die Baukosten des „Heiligtums“ schweigen die Verantwortlichen.
Die neo-charismatische Kirche der Pfingstbewegung wurde 1977 von dem selbsternannten Bischof Edir Macedo, einem ehemaligen Lotterieangestellen, gegründet. Dieser zählt heute zu den reichsten Unternehmern Brasiliens, Missionar RR Soares ist der viertreichste „Pfarrer“ in Brasilien, mit einem geschätzten Vermögen von über 125 Millionen Euro. Die Igreja Universal do Reino de Deus besitzt in Brasilien mehr als 76 AM- und FM-Radiostationen, mit denen sie 75% des nationalen Territoriums abdeckt, dazu kommen über 20 TV-Sender und über 100 Senderbeteiligungen. Rund zwei Millionen Mitgliedern (nach eigenen Angaben über 8 Millionen) wird an sechs Tagen die Woche ein an einer Gehirnwäsche erinnerndes Programm geboten, wo über allerlei Wundermittel und -heilungen berichtet wird. Wichtiges Element der „Messen“ ist dabei die Bekanntgabe von Bankverbindungen. Die Kirche verlangt von ihren Mitgliedern mindestens den 10. Teil ihres Einkommens als Spende, den Zehnt. Hierdurch werden große Mengen Gelder angehäuft. Es wird angenommen, dass die Igreja Universal do Reino de Deus alleine in Brasilien jährliche Einnahmen in Höhe von weit über 1,4 Milliarden Dollar erzielt.
Mega-Tempel im Bundesstaat São Paulo sind beliebt. Insgesamt gibt es fünf an der Zahl: Cidade Mundial dos Sonhos de Deus (240.000m², Platz für 150.000 Personen), Basílica de Nossa Senhora Aparecida (143.000 Quadratmeter bebaute Fläche, Grundstück 1,3 Millionen Quadratmeter, Platz für 300.000 Menschen im Außenbereich), Templo de Salomão (74.000 Quadratmeter bebaute Fläche) , Templo da Glória de Deus (Kapazität für 60.000 Menschen, Kaufpreis 50 Millionen US-Dollar ) und Santuário Theotokos – Mãe de Deus (Platz für 100.000 Menschen auf einem Grundstück von 20.000 Quadratmetern in Interlagos, im Süden von São Paulo).
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