Warum bleiben Sie eigentlich nicht in der Schweiz bei Ihrer Frau und den Kindern, fragte mich Frank Elstner am Ende der Sendung. Und ich antwortete, dass das einer Fahnenflucht gleich käme, dass man all die Armen, die Hungernden, die Kranken und Verletzten, die Waisen ohne Eltern und die Kinder ohne Schule nicht sich selber überlassen könne, das würde vielleicht den Tod bedeuten.
Dabei bilde ich mir nicht ein, viel helfen zu können. Finanzielle Hilfe ist genügend da, jetzt, wo die ganze Welt auf die Katastrophe von Haiti getrimmt ist, wo endlich jedes Kind Existenz und Lage dieses Staates kennt, der vorher im besten Fall mit „Tahiti“ verwechselt wurde. Aber die Probleme liegen jetzt auf der Gefühlsebene, die Betroffenen, Traumatisierten – und das sind Millionen – brauchen Beratung, Beistand, Verständnis, ideelle Unterstützung, Zuneigung, ja sogar Liebe, und die kann ich sehr wohl bieten. Auch die Publizität durch meine Kolumnen, die doch täglich von Tausenden Deutschsprachiger gelesen werden, hat schon das oder jenes ausgelöst.
Dazu kommt natürlich die Suche nach noch lebenden Freunden, die ja alle auch an einer Problembewältigung arbeiten, jeder auf seine Art, was seinerseits zu einer unschätzbaren Synergie führt. All diese Möglichkeiten von Hilfe liegen noch im uneigennützigen Bereich. Da ich über kein Hab und Gut, kein Haus und was ich noch brauche um wirken zu können, mehr verfüge, gibt es trotz allem auch einen eigennützigen. Und da stößt man an Reglemente und Bürokratie, die zu recht allen Eigennutz verbieten. Aber wie kann ich weiter wirken wenn ich nicht mehr wohnen, fahren und funken kann? Und das ist aber Eigennutz, unbestreitbar, und der ist verboten. Ein Riesenkonflikt, der mir noch unlösbar scheint.
Große Wunder sind selten, das ist unbestreitbar. Aber kleine geschehen hie und da, selten, aber immerhin. So werde ich dank Melissa und ihrer Familie zuerst mal in der Bergburg wohnen, an fehlendes Wasser und andere „Muße“ für „Weiße“ werde ich mich gewöhnen. Wie auch schon. Schließlich habe ich da ja auch überlebt, es waren immerhin zehn Tage im Freien, und die Nachbarn kenne ich inzwischen auch ein bisschen. Und werde mich natürlich erkenntlich zeugen. Ein Sack Reis für Mama Marie und einer für Docteur Feuilles wird drin liegen, wurde übrigens auch von einer lieben Leserin gespendet.
Andere spendeten ein kleines rotes Zelt, oder den Betrag für ein Schrebergartenhäuschen, ein Telefon, einen Fotoapparat, und gar einen Computer, Windows 7. Aber das wissen Sie schon. Wie herrlich, man spürt, dass man nie allein ist. Nie allein ! Danke Euch allen, sofern Ihr diese Zeilen überhaupt einmal lest, und Deutsch könnt, natürlich. Übrigens: Schweizerdeutsch nicht nötig, Hochdeutsch genügt. Excüsi, nichts liegt mir ferner, als diesen meinen unfreiwilligen Schweizer Aufenthalt zu verballhornen. Aber wenn ich nicht schummeln will, muss ich doch zugeben dass ich trotz der fabelhaften Menschen die ich auch hier wiedergefunden habe, diese Gattung eher drüben antreffe und meine ursprüngliche Heimat gerne wieder verlasse.
Damit verlasse ich auch Esther wieder, mein Töchterchen, das eben Englisch lernt. Früher als es mir vergönnt war, deshalb bestimmt auch besser als ich. Wenn ich das auch schon mit Sieben gelernt hätte, erfreute ich mich über viel mehr Leser, hätte einen weltweiten „Markt“. Aber da ALLES seine Vor- und Nachteile hat, und umgekehrt – haben Sie das nicht auch schon gehört? – folgt nun der Vorteil: wenn die mich alle verstehen würden, dann hätten sie mich schon längst erschossen… Aber wow, ich lebe noch!
„Dabei bilde ich mir nicht ein, viel helfen zu können. Finanzielle Hilfe ist genügend da, jetzt, wo die ganze Welt auf die Katastrophe von Haiti getrimmt ist,…..“ schade nur das die Leute davon nie etwas spüren konnten bevor es wieder auf Privat-Konten verschwand…