Haiti beginnt wieder zu leben

Farbige

Datum: 27. Mai 2010
Uhrzeit: 08:02 Uhr
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Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Ganz vorweg, wir alle sind glücklich, abermals ist ein Wunder geschehen: Melissa ist wieder zuhause, und arbeitet wie gestört, statt sich zu erholen. Was zu erwarten war. Muss oder kann man denn die Menschen anbinden? Zudem ist das Klima zurzeit kalt und windig, also unzuträglich, hier auf dem Berg. Aber die Kleinste, Aude, die fehlt nach wie vor, sie liegt noch unten im Spital.

Glücklich machen mich auch die zunehmenden Leserzuschriften. Sie ermutigen mich, weiterzumachen, und nicht zurückzukehren ins wohl(über-)regulierte Europa. Das rufe ich all meinen europäischen Freunden zu, die mich schützen und zurückhalten wollten.

Während der Europa-Kur habe ich eher über mich selbst geschrieben, etwa in der Art von Vom Pechvogel zum Glückspilz. Das ist jetzt vorbei, und ich kann wieder über die Ex-Indianer auf der Insel schreiben, und über ihr Glück. Das sie rascher zu finden pflegen als wir Europäer! Speziell die Kinder, die das Wort „Glück“ noch nicht kennen, aber wissen und zeigen, was „glücklich“ ist.

Ich meine zuerst das momentane Glücksgefühl, die anhaltende Glückseligkeit folgt später, hoffentlich. Auch Erwachsene streben nach Glück, und ob sie es gefunden haben, hängt von Umfeld und Charakter ab. Bei Kindern eher als bei Erwachsenen von der Zufriedenheit, der Verfügungsmöglichkeit über die dringendsten Bedürfnisse. Leider steht die jüngste Geschichte mit traumatischen Erfahrungen dem Glücklich werden sehr im Weg.

Die dringendsten Bedürfnisse betreffen bei Kindern und Ärmsten Nahrung und Obdach, Materielles und speziell Geld gehören nur bei Reichen und Verdorbenen dazu. Nahrung und Obdach, selbst wenn erst in Zelten, sind vorhanden, und zum Kinderglück fehlen nur noch Zuwendung, bei den Kleinsten ist das Schmusen und Streicheln, bei den Reiferen die Hilfe der Welt.

Kinder und Große singen und tanzen, Kinder lachen und spielen, sogar Bébés lächeln. Alle zeigen, dass sie wieder glücklich sind. Besonders, wenn sie auch noch eine Schule besuchen dürfen, auch das kommt vor, immer häufiger. Es sind Vertrauen und Unterstützung, die Kinder glücklich machen. Auch die Frauen singen und spielen oft, sie scheinen glücklicher zu sein als ihre Männer. Die lieben eher Kraftakte und wurden denn auch von den Lebensmittelverteilungen ausgeschlossen, sie sind zu gewalttätig und müssen durch ihre Gattinnen versorgt werden.

Aber wenn die sozialen Beziehungen liebevoll und nicht gewalttätig sind wie noch bei vielen Mannsbildern, bestimmen sie das Glücksgefühl mit, denn jeder Mensch will beachtet sein. Besonders die Kinder haben sich denn auch zu neuen Gruppen zusammen gefunden, hüpfen, kreischen, spielen und toben sich aus. Die Menschen in Haiti beginnen wieder zu leben, und das muss doch sein! Ihre Mütter, manchmal auch Väter, finden Halt in ihren Religionen, die jetzt bei ihnen wichtiger geworden sind. Auch Meditieren und beschauliches Ausruhen in der Natur kann ein Ausdruck des Glückgefühls sein. Die Fähigkeit zum Glücklich sein hängt von äußeren Umständen und von der inneren Einstellung und Selbstbejahung ab.

Glück ist am ausgeprägtesten bei denen anzutreffen, die um die Erfüllung von Grundbedürfnissen kämpfen müssen, das gilt auch für Haiti. In der internationalen Glücksstatistik der New Economics Foundation (NEF) von 2006 war der unentwickelte, maus arme Inselstaat Vanuatu mitten im pazifischen Ozean Spitzenreiter. Deutschland erreichte den 81. Platz, die USA landeten auf dem 150. Platz der Glücksrangliste. Neben dem Grad der angegebenen Zufriedenheit flossen auch Messwerte wie Lebenserwartung, Zahl der Selbstmorde und Umgang mit der Umwelt in die Liste ein. Vor kurzem war, wenn ich mich recht erinnere, das hochentwickelte Japan das Land mit den meisten Selbstmorden. Und Unglückliche in einem armen Entwicklungsland ? „Nein, nein, wir leben ja, und zwar in einer Familie und unter dem großen wunderbaren Himmel“!

Und wohl alle Gesunden sind glücklich, weil sie noch leben. In Haiti ist das nicht selbstverständlich. Und die sterben mussten, sind jetzt wenigstens nicht mehr unglücklich.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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