Ohne Strom in Haiti lebt sich anders. Meine Frau hat mir vor dem Verlassen der Schweiz viele meiner Lieblingskäse eingepackt, Président, Roquefort, herrliche Weichkäse. Auf die habe ich mich spezialisiert, angesichts des Zustandes meiner inneren „Mund-Tapeten“. In der Schweiz habe ich die Käsedelikatessen täglich genossen, oft fast geschlürft, ohne genau hinzusehen. Ich nehme an, dass sie dort auch durchaus in Ordnung waren.
Dass das Klima in den Tropen anders ist und der Strom zum Betreiben eines Kühlschranks fehlt, haben allerdings weder meine Frau noch ich zum voraus bedacht. Ich genoss meine Weichkäse zu jedem Frühstück weiter, und sie schienen mir sogar immer besser zu schmecken. Bis mich etwa vorgestern früh Ulli aufschreckte, der mit mir frühstückte und von weitem sah, was ich da eigentlich aß. Ich musste fast die Lupe nehmen, um die winzigen Dingerchen zu erkennen, die sich da tummelten. Der ganze Käse schien nur noch aus kleinsten Würmchen zu bestehen, die da krochen und zappelten, und die ich anscheinend genussvoll verzehrt hatte.
Ich war nicht krank gewesen, und eigentlich hatte mir die Götterspeise so sehr gemundet, dass ich mit einem Gefühl zwischen Bedauern und Brechreiz kämpfte, als ich die ganze Herrlichkeit wegschmiss. Da sieht man wieder, dass Essen Psychologie ist – ohne Lust geht einfach nichts runter.
Und ich erinnerte mich unserer Erlebnisse im Hölloch, der damals größten Höhle der Wetl, wo wir auf der zehnstündigen Flucht stumm die Regenwürmer angeschaut und uns gefragt hatten, ob man die wohl essen könnte, als letzte Nahrung vor dem Sterben. Jetzt weiß ich es. Es musste Haiti werden, bis ich lernte, Würmer zu essen…
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