Das vergangene Weihnachtsfest war ein Tag der Trauer für die Gläubigen der afro-brasilianischen Glaubensgemeinschaft „Cabocla Jurema Umbanda“ am Rande der brasilianischen Hauptstadt Brasília. An diesem Tag wurde das „Terreiro“, wie die Kirche der afrikanisch verwurzelten Religion genannt wird, niedergebrannt und geplündert. Nach aktuellen Angaben der Kommission zur Bekämpfung religiöser Intoleranz (CCIR) wurden im Jahr 2019 fast 180 Kirchen der beiden Glaubensrichtungen „Umbanda“ und „Candomblé“ geschlossen, die in Brasilien die meisten Anhänger haben. Die Kommission klagt über wachsende Intoleranz gegenüber Minderheitsreligionen in Brasilien und ist sich einig, dass hinter den Anschlägen Bandenmitglieder stehen, die mit einer der zahlreichen kriminellen Drogenhandels-Organisationen verbunden sind.
Den befragten Experten, Priestern, Akademikern und Pastoren zufolge verwenden diese Gruppierungen eine „radikale Auslegung“ der evangelischen Gebote, um in einigen Gebieten an Macht und Einfluss zu gewinnen. Die afro-brasilianischen Religionen, die seit der Zeit der Sklaverei im Land präsent sind, sind ihr Hauptziel. Die Bundesstaatsanwaltschaft für Bürgerrechte hat Präsident Jair Messias Bolsonaro aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, die Angriffe öffentlich zu verurteilen und einen Plan zur Beendigung der Angriffe festzulegen.
Zwischen April 2012 und August 2015 gingen beim Zentrum zur Förderung der Religionsfreiheit und der Menschenrechte 1.014 Beschwerden von Opfern religiöser Diskriminierung ein, von denen mehr als 700 aus afro-brasilianischen Religionen stammten. Experten sind sich einig, dass hinter den Anschlägen Mitglieder der Vereinigung „Comando Vermelho“ stecken. Das „Rote Kommando“ ist eine mächtige Verbrecherorganisation, die vor allem im illegalen Drogenhandel in der brasilianischen Stadt Rio de Janeiro aktiv ist. Viele der Mitglieder der evangelikalen Bande sind ehemalige Häftlinge, die sich im Gefängnis bekehrten und wenn sie einmal die Gefängnismauern verlassen haben, einen radikalen und wissbegierigen Diskurs gegenüber nicht-christlichen Religionen ausüben.
„Unsere Religion durchläuft einen kritischen Moment des Überlebens“, klagt Patrício Carneiro “ Odé Onisojí“, ein afro-brasilianischer Priester aus São Paulo. Nach seinen Worten wird selbst das Betreten der Kirchen immer schwieriger, weil evangelikale Banden ihn verhindern. Doch über die Angriffe hinaus prangert Carneiro die „Vorurteile und Unwissenheit“ gegen seine Religion an. „Von einigen evangelikalen Sektoren – ob sie hinter den Angriffen stehen oder nicht – wird angenommen, dass wir den Teufel und die bösen Geister anbeten“. Die beiden Religionen „Candomblé“ und „Umbanda“ bilden zusammen mit anderen Varianten ein wichtiges Element der afro-brasilianischen Identität. „Solche kulturellen Traditionen wurden zu verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Akteuren verunglimpft, von der katholischen Kirche in der Zeit nach der Unabhängigkeit bis zu den heutigen Pfingstlern, die Candomblé und Umbanda als ‚Teufelsanbetung‘ bezeichnen“, so die „Harvard University School of Theology“ in den Vereinigten Staaten.
Leider kein Kommentar vorhanden!