Coronavirus: „Undokumentierte Explosion“ verbreitet sich in Lateinamerika

friedhof

"Vertikaler Friedhof" in Viana, Gemeinde im Bundesstaat Maranhão im Nordosten Brasiliens (Foto: Prefeitura Municipal)
Datum: 18. April 2020
Uhrzeit: 16:59 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
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Die Corona-Pandemie hat in Lateinamerika laut Angaben der Gesundheitsministerien rund 4.000 Menschen getötet, fast 80.000 sind mit dem Virus infiziert. Die offiziellen Statistiken sind allerdings mehr als fragwürdig und halten einer näheren Überprüfung nicht stand. Sowohl in Brasilien und auch in Ecuador dürfte die Zahl der Infizierten und der Todesopfer um ein vielfaches höher sein, eine „undokumentierte Explosion“ verbreitet sich in der Region. Ecuadors offizielle Zahl der Todesopfer beträgt 423, aber neue Zahlen aus einer Provinz deuten darauf hin, dass Tausende gestorben sind. Nach Angaben der Regierung starben in den ersten beiden Aprilwochen in der Provinz Guayas 6.700 Menschen, weit mehr als die üblichen 1.000 Todesfälle im gleichen Zeitraum. Die „Provincia del Guayas“ ist mit weit über vier Millionen Einwohnern die einwohnerreichste Provinz Ecuadors. Die Provinzhauptstadt ist Guayaquil, der von Covid-19 am stärksten betroffene Teil des Landes. Bereits in den letzten Tagen wurde bekannt, dass die Behörden nicht in der Lage waren mit dem enormen Anstieg der Todesfälle Schritt zu halten. Leichen von Verstorbenen wurden in ihren Häusern und sogar auf der Straße gestapelt, Tausende von Pappsärgen wurden verteilt.

Nach Angaben der Regierung sind seit Anfang März in der Provinz Guayas 14.561 Menschen aus verschiedenen Gründen gestorben. In der Provinz sterben normalerweise durchschnittlich 2.000 Menschen pro Monat. In Ecuador gibt es insgesamt 8.450 bestätigte Fälle von Coronavirus, obwohl ein Mangel an weit verbreiteten Tests bedeutet, dass dies wahrscheinlich eine signifikante „Unterzählung“ ist. In ganz Lateinamerika wurde Covid-19 als Krankheit der reichen Menschen bezeichnet. Ein Virus, das von wohlhabenden Teilen der Gesellschaft, die ins Ausland gereist waren, in die Region eingeschleppt wurde. Die hohe und oftmals nicht dokumentierte Zahl der Todesopfer ist aber auch eine verheerende Folge der Kombination eines überlasteten Gesundheitssystems und einer zutiefst ungleichen Gesellschaft was bedeutet, dass nicht jeder in der Lage oder bereit ist, sich sozial zu distanzieren und die Arbeit einzustellen.

In Brasilien liegt die offizielle Zahl der Infizierten bei 34.221 und 2.171 Menschen starben am Virus. Macht man sich die Mühe und überprüft die Daten der verschiedenen Bundesstaaten stellt man fest, dass dies nicht stimmen kann. Bereits vor Tagen wiesen Wissenschaftler mehrerer Universitäten darauf hin, dass die tatsächlichen Fallzahlen rund fünfzehnmal höher ausfallen dürften. Am Freitag (17.) wurde ein Video in den sozialen Netzwerken veröffentlicht, das die katastrophale Situation im João Lúcio-Krankenhaus in Manaus zeigte (Hauptstadt des großen Bundesstaates Amazonas). Neben lebenden und hospitalisierten Patienten lagen zahlreiche Leichen von Toten mit Verdacht auf Covid-19, die „normalerweise“ nicht auf das Virus getestet werden. Brasilien testet knapp 300 Menschen pro Million Einwohner – in den USA beispielsweise liegt diese Zahl bei 9.482 pro Million. Wenige Stunden später bestätigte die Verwaltung des Krankenhauses die aktuelle Situation und gab bekannt, dass inzwischen Kühlcontainer zur Einlagerung der Leichen installiert wurden. Der Bundesstaat hatte bis Donnerstag (16.) 1.719 Fälle des neuen Coronavirus, 124 Menschen sind gestorben. Mittlerweile wurden Kühlcontainer an weiteren Krankenhäusern aufgestellt und landesweit sind in den Krankenhäusern fast alle Betten auf der Intensivstation belegt. Krankenhäuser in der Hauptstadt von Rio de Janeiro sind nahe an der Kapazitätsgrenze, die Krankenhausauslastungen liegen bereits bei über 93 Prozent.

Für zusätzliche Unruhe sorgt die „Anfrage“ des Militärs bei verschiedenen Kommunen über die Kapazitäten der jeweiligen Friedhöfe. Laut Angaben mehrerer Bürgermeister sind Massenbestattungen „für die Armen“ geplant, Fragebögen wurden vom für die Region Rio de Janeiro und Espirito Santo zuständigen Militärkommando bereits verteilt. In den letzten Tagen wurden zahlreiche „vertikale Friedhöfe“ für Bestattungen von Tausenden Verstorbenen errichtet, „Massenbestattungen“ werden vorbereitet. Das Verteidigungsministerium spricht von „hypothetischen Szenarien“, auf die man vorbereitet sein will.

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  1. 1
    Paul Landmesser

    War zum ersten Mal wieder beim Einkaufen in Blumenau nach einem Monat Stay-Home, und ich war schockiert.
    Die Straßen voll mit Autos, z. T. Stau und im Supermercado bekam man eine Senha (Nummer), die aber absolut sinnlos war, da man nicht wirklich warten musste, und der Supermercado war voll mit Kunden, dicht an dicht, ohne jeden Sicherheitsabstand und nur ca. die Hälfte der Kunden mit Maske.
    Ich habe ebenfalls große Bedenken, dass die offiziellen Zahlen bei weitem nicht die Realität widerspiegeln, und wir in Brasilien/Südamerika auf eine mögliche Katastrophe zusteuern werden!

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