In der Europäischen Union (EU) werden jedes Jahr rund 88 Millionen Tonnen Nahrungsmittel verschwendet oder gehen verloren, bevor sie verzehrt werden können. Das sind 20 Prozent der insgesamt für die EU produzierten Nahrungsmittel und pro EU-Bürger 173 Kilogramm. Lebensmittelverschwendung verursacht bis zu 16 Prozent der gesamten Emissionen der Lebensmittelkette in der EU. Darauf weist der WWF Deutschland anlässlich des ersten internationalen Tags gegen Lebensmittelverschwendung am 29. September hin. Will die Europäische Union Lebensmittelverschwendung tatsächlich bis 2030 halbieren, müssen die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten deutlich mehr tun, unterstreicht ein aktueller WWF-Bericht. Jedes verschwendete Lebensmittel ist eine vergeudete Ressource, belastet das Klima und verursacht hohen finanziellen Schaden. Für die Europäische Union beläuft sich dieser auf rund 143 Milliarden Euro pro Jahr, so die gemeinsame Analyse des WWF und WRAP, einer unabhängigen Organisation, die weltweit an der Reduzierung von Lebensmittelverschwendung arbeitet.
Einer WWF-Analyse zufolge verschwenden wir in Deutschland im Jahr rund 18 Millionen Tonnen Lebensmittel, 10 Millionen davon wären bereits heute vermeidbar. Würden wir in Deutschland alle vermeidbaren Lebensmittelabfälle verwerten, statt sie in den Müll zu werfen, könnte umgerechnet eine landwirtschaftliche Nutzfläche größer als Mecklenburg-Vorpommern eingespart werden. Von diesen über 2,5 Millionen Hektar entfallen fast 400.000 Hektar auf Südamerika und über 350.000 Hektar auf Asien.
Die deutsche Regierung setzt im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung auf freiwillige Branchenvereinbarungen. Die aktuelle Analyse von WWF und WRAP zeigt: Um wirksam zu sein, brauchen freiwillige Branchenvereinbarungen aber konkrete Reduktionsziele, verbindliche Maßnahmen, eine nachvollziehbare Berichterstattung sowie ausreichend Unternehmen, die sich beteiligen. „Es ist die Aufgabe des für die Umsetzung der nationalen Strategie verantwortlichen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, das sicherzustellen“, unterstreicht Tanja Dräger de Teran vom WWF.
Im Kampf gegen Nahrungsmittelverluste ist die Messung von Lebensmittelverlusten entlang der gesamten Lieferkette eine der wirkungsvollsten Maßnahmen. Messungen ermöglichen, dass Fortschritte nachvollzogen und Maßnahmen bewertet werden können. „Da sich die Datenlage in Deutschland jedoch kaum verbessert hat, stochert Deutschland weiter im Nebel“, kritisiert Tanja Dräger de Teran.
Derzeit kann Deutschland nicht sauber beziffern, welchen konkreten Beitrag die Reduktion der Lebensmittelverschwendung im Rahmen des nationalen Klimaschutzgesetzes leistet. „Allein in Deutschland ließen sich mit einer Halbierung der Lebensmittelabfälle sechs Millionen Tonnen CO2-Äquivalente an Treibhausgas-Emissionen in Deutschland einsparen. „Es reicht nicht, ins nationale Klimaschutzgesetz einen Verweis auf die nationale Strategie zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung zu schreiben. Um zukünftig Reduktionserfolge darzustellen, ist es notwendig, die anfallenden Mengen nachvollziehbar zu bilanzieren“, so Dräger de Teran.
Ebenfalls bedeutsam für die Vermeidung von Lebensmittelverlusten im landwirtschaftlichen Bereich ist die anstehende Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken in nationales Recht. Ziel dieser Richtlinie ist es, beispielsweise Landwirte und Lieferanten von Agrar- und Lebensmittelprodukten gegenüber marktmächtigeren abnehmenden Unternehmen besser zu schützen. Mit diesem Instrument lassen sich aus Sicht der Umweltorganisation WWF Ernte- und Nachernteverluste verringern. Zu den unlauteren Handelspraktiken gehören unter anderem kurzfristige Stornierungen von verderblichen Lebensmitteln, einseitige Vertragsänderungen durch den Käufer oder kommerzielle Vergeltungsmaßnahmen des Käufers.
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