„Das Schiff des Todes“: Wie die Spanische Grippe nach Brasilien kam

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Das unter englischer Flagge fahrende Dampfschiff "Demerara", bekannt unter dem makabren Spitznamen "Schiff des Todes" (Foto: Reprodução)
Datum: 25. November 2020
Uhrzeit: 15:25 Uhr
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Die Spanische Grippe hat sich zwischen 1918 (gegen Ende des Ersten Weltkriegs) und 1920 in drei Wellen verbreitet und nach Schätzungen bis zu fünfzig Millionen Todesopfer gefordert. Die „Mutter aller Pandemien“ infizierte etwa fünfhundert Millionen Menschen, was eine Letalität von fünf bis zehn Prozent ergab und damit deutlich höher lag als bei Erkrankungen durch andere Influenza-Erreger. Die Pandemie kam mit einem Schiff nach Brasilien und forderte Schätzungen zufolge etwa 35.000 Menschenleben. Das unter englischer Flagge fahrende Dampfschiff „Demerara“, bekannt unter dem makabren Spitznamen „Schiff des Todes“, fuhr am 15. August 1918 von Liverpool aus über Lissabon und landete am 9. September in Recife (Hauptstadt des Bundesstaates Pernambuco im Nordosten Brasiliens.) Als die „Demerara“ am 15. August 1918 von Liverpool aus in Richtung Buenos Aires in See stach, ahnte Kapitän J.G.K. Cheret nicht, was sich auf der fünfundzwanzigtägigen Überfahrt alles ereignen sollte.

Am nächsten Tag, dem 16. August, hatte er seinen ersten Schrecken: Gegen acht Uhr morgens wurde die „Demerara“ mitten im Ersten Weltkrieg von zwei deutschen U-Booten angegriffen. Eines von ihnen feuerte sogar einen Torpedo ab, der nach damaligen Zeitungsberichten „einen Meter vom Bug“ entfernt explodierte. Die Passagiere gerieten in Panik und verließen aus Angst vor dem Schlimmsten die Kabine auf der Suche nach Schwimmwesten. Mit 562 Passagieren und 170 Besatzungsmitgliedern an Bord wäre die „Demerara“ ohne den Rettungseinsatz eines englischen Schiffes und sechs Torpedos, die eines der U-Boote versenkten und das andere zum Rückzug zwangen, wahrscheinlich untergegangen. Nach der anfänglichen Angst setzte das Schiff die Reise fort und dockte am 9. September in Recife an. Es war die erste von vier Stationen an der brasilianischen Küste: Recife, Salvador, Rio und Santos. „Die Demerara war das Schiff, das Briefe von der Front brachte und in jedem Hafen warteten die Menschenmengen gespannt auf Nachrichten von Soldaten, die im Ersten Weltkrieg kämpften“, erklärt Dr. Dilene Raimundo do Nascimento, Doktorin für Sozialgeschichte an der Bundesuniversität Fluminense (UFF).

Da sich der Hafen von Recife zum damaligen Zeitpunkt im Bau befand, mussten die Passagiere, ihr Gepäck und die Fracht, in riesigen und von Kränen gehievten Stoffkörben von Bord gehen. „Es gibt keine Nachricht darüber, wann das Virus an Bord kam: ob bei der vorherigen Zwischenlandung in Lissabon oder bereits in England“, erklärt die Historikerin Heloísa Murgel Starling, Professorin an der Bundesuniversität Minas Gerais (UFMG) und Mitautorin von „Die Tänzerin des Todes: die Spanische Grippe in Brasilien“. Nach ihren Worten verbreitete sich die Krankheit, einmal auf brasilianischem Boden, leicht und schnell – von Recife bis Rio de Janeiro, von der Küste bis ins Landesinnere und durch die Eisenbahn.

Von Recife aus fuhr die „Demerara“ nach Salvador, wo sie am 11. September eintraf. Auf dem Weg dorthin beschloss der Kapitän, das Boot mit Kreolin zu reinigen. In der Hauptstadt von Bahia wiederholte sich allerdings die Vernachlässigung: Passagiere und Besatzung gingen an Land, ohne von den Gesundheitsbehörden kontrolliert zu werden. Zwei Wochen später zählten die Behörden etwa „siebenhundert Kranke“, die überall verstreut waren: von Kasernen bis zu Krankenhäusern, von Schulen bis zu Kirchen. „Sowohl in Recife als auch in Salvador leugneten die Gouverneure die Existenz der Spanischen Grippe. Wenn das Schiff infiziert wäre, hätten sie die Häfen schließen müssen. Um die lokale Wirtschaft nicht zu gefährden, ließen sie die Demerara weiter fahren, so als ob nichts geschehen wäre“, so Heloísa. Das nächste Ziel war Rio de Janeiro. In der Bucht von Guanabara, vor der Ilha das Cobras, wehte bereits eine gelbe Flagge – ein Zeichen der Krankheit an Bord. Der Hafengesundheitsinspektor José Maria de Figueiredo Ramos untersuchte einige Passagiere – zwei davon in kritischem Zustand – und stellte fest, dass das Schiff infiziert war.

Trotzdem durfte die „Demerara“ andocken. Es war der 15. September 1918. Allein in Rio stiegen 367 Passagiere aus. Einige klagten über eine leichte Erkältung, andere über heftige Körperschmerzen. Wieder andere, mit schwereren Symptomen wie Blutungen aus Nase, Mund und Ohren, mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Nach der Landung setzte die „Demerara“ ihre Reise fort. José Maria de Figueiredo Ramos war der Meinung, die Krankheit sei nicht ansteckend. Dies erwies sich als ein fataler Fehler. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Grippe bereits die ungewöhnlichsten Spitznamen erhalten: „russischer Schleim“, „Grabenkrankheit“, „dreitägiges Fieber“. Das Gesundheitssystem brach zusammen und viele Familien legen ihre Toten einfach auf den Bürgersteig, um von Bestattungsunternehmen abgeholt zu werden. Es fehlte an Betten, um so viele Patienten zu versorgen und an Totengräbern, um so viele Leichen zu begraben. Von einem Tag auf den anderen begannen alle zu sterben, der Tod lag in der Luft.

Trotzdem fuhr die „Demerara“ in Richtung Montevideo (Uruguay), wo sie am 23. September ankam. An Bord gab es bereits sechs Tote und 22 Infizierte. Brasilianische Zeitungen versuchten die uruguayischen Behörden zu alarmieren, die jedoch von einer „maßlosen Übertreibung“ sprachen. Als das Schiff in Buenos Aires ankam, wurde es schließlich einer strengen Inspektion unterzogen. Die argentinischen Behörden haben das getan, wozu die Brasilianer nicht den Mut hatten: das Schiff anzuhalten und es zu desinfizieren.

Die Reaktionen auf die Pandemie in Brasilien ähneln der aktuellen Corona-Pandemie. Am 10. Oktober 1918 berief der damalige Gesundheitsminister Carlos Seidl (1867-1929) eine Pressekonferenz ein. Vor Ärzten und Journalisten minimierte er die Pandemie, stellte die Zahlen in Frage und bezeichnete Zeitungen als „unverantwortlich“ und „sensationell“. Eine Woche später rief ihn der Präsident der Republik, Venceslau Brás (1868-1966), in den Palast von Catete und entließ ihn. An seiner Stelle übernahm der Arzt Theóphilo de Almeida Torres (1863-1928). In der Hoffnung, die Krankheit zu bekämpfen, wurden die unterschiedlichsten Rezepte getestet: von einheimischen Arzneien auf Kräuterbasis bis hin zu Brandy-Sirup, Zitrone und Honig, die das Problem nicht milderten, aber zum Ausgleich dafür den „Caipirinha“ hervorbrachten.

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