Es klingt paradox – in vielen Regionen unseres blauen Planeten könnte die Trinkwasserversorgung in naher Zukunft problematisch werden. Meerwasser ist salzhaltig und daher nicht trinkbar. Doch unter dem Meeresboden gibt es bislang ungenutzte Frischwasserreserven, auf die die Geowissenschaften erst seit Kurzem ihre Aufmerksamkeit richten. Eine neue Übersichtsstudie, die in der internationalen Fachzeitschrift Reviews of Geophysics veröffentlicht wurde, zeigt Möglichkeiten, die mit diesen Wasserressourcen verbunden sind, aber auch bestehende Wissenslücken.
Trinkwasser ist eine lebenswichtige Ressource. Obwohl 70 Prozent der Erdoberfläche von Wasser bedeckt sind, ist der Großteil davon – etwa 97 Prozent – salzhaltig und damit ungenießbar. Der Klimawandel, das globale Bevölkerungswachstum, die veränderte Landnutzung und andere Faktoren setzen die vorhandenen Trinkwasservorräte unter Druck. Nicht umsonst haben die Vereinten Nationen eine sichere Wasserversorgung in die Liste ihrer nachhaltigen Entwicklungsziele aufgenommen.
In den 1960er Jahren wurden erstmals Frischwasservorkommen unter dem Meeresboden nachgewiesen. Wissenschaftler*innen aus sechs Ländern unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Universität Malta haben nun in der internationalen Fachzeitschrift Reviews of Geophysics die erste globale Bestandsaufnahme solcher Offshore- Grundwasservorkommen (Offshore Freshened Groundwater, OFG) veröffentlicht. „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass OFG definitiv kein lokales Phänomen ist. Es ist vor den meisten Kontinentalrändern rund um den Globus dokumentiert worden“, sagt Dr. Aaron Micallef vom GEOMAR, Erstautor der Studie.
Für die Übersichtsstudie wertete das Team insgesamt 300 dokumentierte Aufzeichnungen von OFG aus. Es schätzt das globale Volumen dieser Vorkommen auf eine Million Kubikkilometer. Das ist etwa doppelt so viel wie das Volumen des Schwarzen Meeres und etwa fünf Prozent des geschätzten globalen Grundwasservolumens in den oberen zwei Kilometern der kontinentalen Kruste. Die Vorkommen befinden sich hauptsächlich in Gebieten bis zu 55 Kilometer von den jeweiligen Küsten entfernt und bis zu einer Wassertiefe von 100 Metern. Die OFG entstanden überwiegend während Perioden mit besonders niedrigem Meeresspiegel in den letzten 2,5 Millionen Jahren.
Geochemische Untersuchungen von OFG-Proben haben Aufschluss über die Mechanismen bei der Grundwassereinlagerung gegeben. „Die neuesten seismischen und elektromagnetischen Methoden der Meeresbodenerkundung sowie verbesserte Grundwassermodelle haben in den letzten Jahren unser Verständnis von Form und Ausdehnung der lange Zeit wenig beachteten Grundwasservorkommen vor den Küsten deutlich verbessert“, betont Aaron Micallef.
Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat geförderten MARCAN-Projekts wurde der Meeresboden vor Neuseeland und Malta, Dr. Micallefs Heimatland, mit solchen Techniken gezielt untersucht. „Die bisherigen Ergebnisse sind ermutigend, weil wir OFG in sehr unterschiedlichen geologischen Umgebungen kartieren und detaillierte Kenntnisse darüber gewinnen konnten, wie es abgelagert wurde“, sagt Dr. Micallef.
Die Studie zeigt aber auch wichtige Lücken im Verständnis von OFG auf, wie zum Beispiel den genauen Zeitpunkt der jeweiligen Entstehung und ob die Vorkommen derzeit neu befüllt werden. „Diese Informationen sind aber entscheidend, wenn wir die mögliche Nutzung von OFG als unkonventionelle Wasserquelle beurteilen wollen“, schließt Dr. Micallef.
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