Zunahme der Ernährungs- und Lebensmittelunsicherheit in Brasilien

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Betroffene haben laut der Untersuchung den Verzehr von gesunden Lebensmitteln während der Coronavirus-Pandemie um 85 Prozent reduziert (Foto: Débora Klippel Dkdesign)
Datum: 14. Mai 2021
Uhrzeit: 20:52 Uhr
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Autor: Redaktion
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Sechs von zehn Haushalten in Brasilien leiden einer Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin mit Kooperation mit der Universidade Federal de Minas Gerais sowie der Universidade de Brasília zufolge unter Ernährungsunsicherheit. Das entspricht einer Zunahme von etwa 23 Prozent im Vergleich zu den Jahren 2017 und 2018. Betroffene haben laut der Untersuchung den Verzehr von gesunden Lebensmitteln während der Coronavirus-Pandemie um 85 Prozent reduziert. Der Studie zufolge bestehen bezüglich der Ernährungsunsicherheit regionale Unterschiede. Besonders betroffen seien mit 75,2 Prozent Haushalte in ländlichen Regionen; im Nordosten Brasiliens schätzten 73,1 Prozent ihre Ernährungs- und Lebensmittelsituation als unsicher ein, im Norden des Landes beträgt der Wert 67,7 Prozent.

Ferner empfinden 73,8 Prozent der Haushalte von Alleinerziehenden, die von Frauen geführt werden, ihre Ernährungs- und Lebensmittelsituation als nicht sicher. Mit 71,4 Prozent verstärkt davon betroffen sind den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge ärmere Haushalte mit einem Pro-Kopf-Einkommen von bis zu 500 Real pro Monat sowie mit 70,3 Prozent Haushalte, in denen Kinder leben. In Haushalten von Schwarzen Menschen oder People of Color bewerteten etwa 67 Prozent ihre Ernährungssituation als unsicher. Laut der Studie erklärten 59,4 Prozent der Haushalte, während der Monate August bis Dezember 2020 zu einem bestimmten Grad von Ernährungsunsicherheit betroffen gewesen zu sein:

– 31,7 Prozent der Befragten waren eigenen Angaben zufolge von leichter Ernährungsunsicherheit betroffen; sie hatten Sorge über Lebensmittelknappheit oder sahen sich bei der Auswahl von Lebensmitteln und deren Qualität beeinträchtigt.

– 12,7 Prozent der Befragten waren eigenen Angaben zufolge von moderater Ernährungsunsicherheit betroffen; sie gaben an, dass erwachsene Haushaltsmitglieder weniger Lebensmittel konsumierten oder von Lebensmittelknappheit betroffen waren.

– 15 Prozent der Befragten waren eigenen Angaben zufolge von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen; sie gaben an, dass auch Kinder weniger Lebensmittel hatten oder von Lebensmittelknappheit betroffen waren.

Um die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Ernährung besser einzuschätzen, wurden die Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer zum Lebensmittelkonsum vor und nach der Pandemie befragt. Die Studie zeigt einen Rückgang des Verzehrs gesunder Lebensmittel. 44 Prozent der Befragten gaben an, weniger Fleisch zu konsumieren, 40,8 Prozent nahmen nach eigenen Angaben weniger Obst zu sich. Der Verzehr von Käse reduzierte sich bei 40,4 Prozent der befragten Haushalte, Gemüse konsumierten 36,8 Prozent weniger. Mit 17,8 Prozent reduzierte sich der Verzehr von Eiern am wenigsten; 18,8 Prozent der Haushalte gaben an, während der Pandemie mehr Eier konsumiert zu haben. Den Forscherinnen und Forschern zufolge könnte dieser Anstieg mit dem Ersatz von Fleischprodukten zusammenhängen.

„Die Ergebnisse der Studie zeigen die Konsequenzen des nun aufgehobenen Konsenses, auf den man sich den 1990er Jahren verständigte“, erklärt Renata Motta, Professorin für Soziologie an der Freien Universität Berlin. „Dieser umfasste ein entschiedenes und differenziertes Eingreifen von staatlicher Seite im Kampf gegen soziale Ungleichheit, die sich nun in der Allgegenwärtigkeit des Hungers widerspiegelt.“ Seit dem Jahr 2016 hätten unter anderem eine Sparpolitik und die Kürzung von Programmen zur Förderung kleiner landwirtschaftlicher Betriebe, die Lebensmittel für den Binnenmarkt herstellen, die Lage verschlechtert. Notwendig ist Renata Motta zufolge die Wiedereinführung von Instrumenten der partizipativen Demokratie in die nationale Politik für Ernährungssicherheit, die in Brasilien eine lange Geschichte haben, etwa nationale Gremien und Konferenzen. „Der Kampf gegen den Hunger hängt nicht von der in einem Land hergestellten Menge an Agrarprodukten ab, sondern von einer Umverteilungspolitik und der Förderung des Zugangs zu Lebensmitteln“, sagt die Soziologin.

Die Daten wurden im Rahmen einer öffentlichen Meinungsumfrage erhoben. Diese wurde im Zeitfenster zwischen dem 21. November und dem 19. Dezember 2020 anhand standardisierter Telefoninterviews mit einer repräsentativen Stichprobe der brasilianischen Bevölkerung bestehend aus rund 2.000 Personen geführt. Die Grundgesamtheit umfasst alle in Brasilien Wahlberechtigten. Dem Tribunal Superior Eleitoral, dem Obersten Wahlgericht Brasiliens, zufolge sind das 147.918.483 Personen.

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