Lateinamerika: „Mega-Wahlen“ in Chile – Update

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An diesem Samstag (15.) beginnt in Chile die erwartete "Mega-Wahl" (Foto: Sebastián Piñera)
Datum: 15. Mai 2021
Uhrzeit: 11:34 Uhr
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An diesem Samstag (15.) beginnt in Chile die erwartete „Mega-Wahl“. Dabei werden die zukünftigen Bürgermeister, Stadträte, Regionalgouverneure und auch der Verfassungskonvent bestimmt, der die Aufgabe haben wird eine neue Verfassung für das Land zu schreiben. Eine Wahl, die zum ersten Mal in diesem Land in zwei Tagen stattfinden wird. Bei der größten Wahl von Behörden in der Geschichte des an Peru, Bolivien und Argentinien grenzenden Staates werden die Regionalgouverneure zum ersten Mal vom Volk gewählt (vorher wurden sie vom Präsidenten ernannt).

Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der Abstimmung in der verfassungsgebenden Versammlung. Die Wähler müssen an diesem Wochenende die 155 Personen wählen, die den Verfassungskonvent integrieren werden, der eine neue Verfassung für das Land schreiben soll. Nach den Aufzeichnungen des chilenischen Wahldienstes (Servel) sind an diesem doppelten Wahltag 14.900.189 chilenische Männer und Frauen wahlberechtigt. Damit dieser Prozess zügig abläuft, stehen landesweit 46.087 Wahllokale zur Verfügung, in denen die Wähler ihre Stimme abgeben können.

Der Urnengang beginnt an diesem Samstag um 08:0 Uhr und endet um 18:00 Uhr Ortszeit. Während der Nacht werden die Wahlurnen unter der Obhut der Streitkräfte stehen und am nächsten Tag wird die Abstimmung zu den gleichen Zeiten fortgesetzt. Es wird erwartet, dass die ersten Zählungen kurz nach 18:00 Uhr beginnen und nach einer Stunde die ersten Tendenzen bekannt sein werden. Nach Schließung der Wahllokale erfolgt die Auszählung der Stimmen in strenger Reihenfolge, beginnend mit den allgemeinen Wahlversammlungen der Bezirke, dann die Wahlversammlungen der Ureinwohner, gefolgt von den regionalen Gouverneuren, den Bürgermeistern und schließlich den Stadträten.

Wie kam es in Chile zu einem verfassungsgebenden Prozess?

Am 18. Oktober 2019 erschütterte eine Massendemonstration das Land, nachdem die chilenische Regierung eine Fahrpreiserhöhung im öffentlichen Nahverkehr beschlossen hatte. Dies veranlasste die Studenten sich zu massiven Protesten zu organisieren die sich darauf konzentrierten, die Fahrpreiserhöhung der Metro in Santiago zu umgehen. Der Ruf nach Aufmerksamkeit gewann allmählich an öffentlicher Empathie und die Mobilisierungen breiteten sich im ganzen Land aus.

Die Welle von Protesten und Konfrontationen mit der Polizei dauerten mehrere Wochen an und hinterließ einen Blutzoll von mindestens dreißig Toten und zahlreichen Verletzten. Im Laufe der Tage kanalisierten sich die sozialen Forderungen zu einer einzigen Forderung: einer radikalen Änderung der Verfassung, die inmitten der Militärdiktatur von Augusto Pinochet entworfen und geschrieben wurde. Für die Demonstranten ist die Änderung der „Pinochet-Verfassung“ wegen ihrer „Illegitimität des Ursprungs“ notwendig, da die damalige Gesellschaft in keiner Weise zur Prägung ihres Inhalts beitragen konnte. Trotz zahlreicher Reformen stützen die Grundlagen der chilenischen „Magna Carta“ die Grundlagen des Neoliberalismus und das Fehlen von sozialen Garantien.

Nach wochenlangen, hartnäckigen Demonstrationen der chilenischen Bürger haben sich die politischen Blöcke des Landes am 15. November 2019 auf ein nationales Plebiszit geeinigt um festzulegen, ob die Bevölkerung weiterhin unter dem Dach der aktuellen Verfassung leben will oder nicht. Der Volksbeschluss fand am 25. Oktober letzten Jahres statt und die Reaktion der chilenischen Bevölkerung war überwältigend: 78,28 Prozent stimmten für die Einleitung eines verfassungsgebenden Prozesses, während 21,72 Prozent die Idee einer neuen „Magna Carta“ ablehnten.

Update, 17. Mai

Im Gegensatz zu dem, was die Umfragen vorausgesagt haben und mit einem proportionalen Auszählungssystem, das die großen politischen Parteien begünstigt, haben die Unabhängigen ein beispielloses Ergebnis erzielt und werden die erste Kraft im Konvent sein, die sich den traditionellen Parteien aufdrängt.

Die unabhängigen Kandidaten, die 45 Sitze auf sich vereinigen werden, sprechen verschiedene Sensibilitäten an, vom Feminismus bis zum Umweltschutz, einschließlich indigener Völker und Befürworter einer Änderung des chilenischen Rentenmodells. Aus diesem Grund impliziert ihre mehrheitliche Wahl keine einheitliche Vision davon, wie die nächste chilenische „Magna Carta“ aussehen wird, sondern dass diese Vielfalt ein komplexes Szenario von Verhandlungen zur Erreichung von Vereinbarungen vorwegnimmt.

„Die Unabhängigen haben ein großartiges Ergebnis erzielt, aber die größte Überraschung ist der absolute Zusammenbruch des rechten Flügels, der trotz einer einheitlichen Liste seine Ziele nicht erreicht hat“, erklärte Julieta Suárez-Cao, Politikwissenschaftlerin an der Päpstlichen Katholischen Universität. Der rechte Flügel, der eine einzige Liste von Parteien der Regierungspartei vorlegte, ist damit der große Verlierer bei diesen Wahlen, indem er weniger als ein Drittel der Sitze im Konvent gewinnt. Dieser Prozentsatz reicht damit nicht zur Beeinflussung des Textes der neuen Verfassung. „Es ist unsere Pflicht, demütig und aufmerksam auf die Botschaft des Volkes zu hören“, betonte Präsident Sebastián Piñera.

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