Kuriosität bei Wahlen in Chile: Frauen müssen Sitze an Männer abgeben

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Frauen drängen in Chile an die Macht (Foto: Sebastián Piñera)
Datum: 18. Mai 2021
Uhrzeit: 12:48 Uhr
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Bei den chilenischen Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung haben die weiblichen Kandidaten die meisten Stimmen erhalten. Das Gesetz zur Geschlechterparität, das eigentlich geschaffen wurde um eine männliche Vorherrschaft zu vermeiden, führt nun zu einer Kuriosität: Frauen müssen ihre erworbenen Sitze laut der chilenischen Wahlbehörde nun an Männer abgeben. Zum ersten Mal in der Geschichte wird eine Verfassung in der Welt von Männern und Frauen in gleichem Maße geschrieben. Als man erwartete, dass die Initiative den Frauen zugute kommen würde, überraschte das Ergebnis: Elf Frauen mussten ihre Sitze an Männer abgeben und nur fünf männliche Kandidaten mussten ihre Sitze an weibliche Kandidaten abtreten. Im Endergebnis werden von 155 Wählern 78 Männer und 77 Frauen sein. Der Mechanismus der „geschlechtsspezifischen Ergebniskorrektur“ bei der Wahl am Sonntag (16.) endete damit, dass in einem der konservativsten Länder Lateinamerikas Männer begünstigt wurden.

„Die chilenische feministische Bewegung ist eine der relevantesten in der Region. Die feministische Welle hat eine neue Generation von Politikerinnen hervorgebracht, die bei den Wählern auf großes Interesse stoßen. Heute brauchen die chilenischen Frauen keine geschlechtsspezifischen Maßnahmen, weil sie auf der Straße und an den Wahlurnen gezeigt haben, dass sie die Mehrheit sind“, so Carlos Meléndez, Politikwissenschaftler an der Diego Portales Universität in Chile. Das chilenische Paritätssystem funktioniert nach Wahlbezirken und sieht vor, dass, wenn die Parität zwischen Männern und Frauen nicht auf natürliche Weise zustande kommt, das Geschlecht, das das andere in der Anzahl der Stimmen übertrifft, „nachgeben“ muss um die Ungleichheit zu korrigieren. So gaben in einigen Bezirken die Männer nach, während es in anderen vor allem die Frauen waren. Insgesamt kandidierten 699 Frauen und 674 Männer für die chilenische Verfassungsgebende Versammlung, die im nächsten Jahr eine neue Verfassung ausarbeiten wird, die diejenige der Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) ersetzen soll.

Die Verfassung von 1980 gilt als Genese der sozialen Ungleichheit und wenn es um Korrekturen der Ungleichheit geht, wollte das Gesetz zur Geschlechterparität sicherstellen, dass Männer im neuen Pakt zwischen Staat und Bevölkerung nicht in der Mehrheit sind. Von den 155 Wahlbezirken waren 17 für Indigene reserviert, die 12,8 Prozent der chilenischen Bevölkerung ausmachen. Zum ersten Mal wird die indigene Bevölkerung Chiles in einer Verfassung anerkannt. Zusätzlich wählten die Chilenen am Sonntag Stadträte, Bürgermeister und Gouverneure in Wahlen, bei denen es keine Paritätsregeln gab. In diesen Fällen kandidierten Frauen nur zu 39 Prozent für Stadträte, zu 23 Prozent für das Amt des Bürgermeisters und zu 16 Prozent für den Posten des Gouverneurs.

Nicht nur im Fall der Frauen waren die chilenischen Wähler überrascht. Die großen Gewinner bei den verfassungsgebenden Wahlen waren unabhängige Kandidaten ohne Parteizugehörigkeit, die 48 der 155 Sitze errangen. Die Kandidaten der linken Parteien kamen zusammen auf 53 Sitze, die Vertreter der indigenen Bevölkerung errang 17 Sitze. Das rechte Lager erhielt 37 Plätze was nicht ausreicht, um ein Veto einzulegen oder gar das Ergebnis der Abstimmungen zur „Carta Magna Chilena“ zu beeinflussen.

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