Misstrauen der Rastafari: Zögerliche Covid-19-Impfung auf Jamaika

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In einer bäuerlichen Rastafari-Gemeinde hoch oben in den Hügeln über Jamaikas Hauptstadt Kingston versammeln sich Einheimische mit Dreadlocks im Tempel um zu beten und mit Bibellesungen und traditionellem Trommeln und Singen zu feiern (Foto: School of Vision)
Datum: 26. Juni 2021
Uhrzeit: 12:11 Uhr
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Autor: Redaktion
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In einer bäuerlichen Rastafari-Gemeinde hoch oben in den Hügeln über Jamaikas Hauptstadt Kingston versammeln sich Einheimische mit Dreadlocks im Tempel um zu beten und mit Bibellesungen und traditionellem Trommeln und Singen zu feiern. Covid-19-Protokolle werden nicht eingehalten und diese abgelegene Gemeinschaft von etwa einhundert Menschen, die sich „School of Vision“ nennt, ist bisher von den Auswirkungen der Pandemie verschont geblieben. Sie schreiben dies der traditionellen Medizin, wie Wurzelwein und Kräutern wie Neem, Bitterholz und Ingwer, zu. Nach ihrer Meinung wehrt dies das Virus ab, Impfstoffe werden vehemnt abgelehnt. Die Karibikinsel hat laut Statistiken etwa 16.800 Infektionen und 350 Todesfälle pro 1 Million Einwohner zu verzeichnen – weniger als viele andere Länder in der Region.

Aber die Abriegelungen (um die Ausbreitung einzudämmen) haben der Wirtschaft und insbesondere dem Tourismus, von dem die Karibikinsel abhängt, einen hohen Tribut abverlangt und die Behörden sind bestrebt, Impfstoffe zu sichern und zu verbreiten, um zur Normalität zurückzukehren. Eine der Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, ist die unter Rastafaris weit verbreitete Skepsis gegenüber Impfstoffen. Die auf Jamaika in den 1930er Jahren entstandene und weltweit verbreitete Glaubensrichtung neigt dazu, westlicher Medizin und Institutionen zu misstrauen, teilweise aufgrund einer langen Geschichte von Rassenungerechtigkeit. „Es gibt eine gewisse Gefahr (in den Impfstoffen) und das ist der Grund, warum ich sie nicht nehme und sie nicht dazu ermutige“, erklärt Dermot Fagon (66), der Dreadlock Priester der „School of Vision“, zu „Reuters“. Er befürchtet zudem nach eigenen Worten, dass die Behörden die Verwendung eines Mikrochips erlauben werden, um Nichtgeimpfte zu verfolgen – eine Verschwörungstheorie, die sich auch in anderen Teilen der Welt verbreitet hat.

Obwohl die „School of Vision“ selbst klein ist und sich am Rande der Gemeinschaft befindet, haben die Rastafari – die etwa fünf bis zehn Prozent der fast drei Millionen Einwohner Jamaikas ausmachen – einen übergroßen Einfluss auf die Gesellschaft. Prominente Rastafari-Reggae- und Dancehall-Künstler wie „Spragga Benz“ und „Cocoa Tea“ haben sich skeptisch gegenüber den Covid-19-Impfstoffen geäußert und damit ihre große Anhängerschaft in den sozialen Medien beeinflusst. Laut einer kürzlich veröffentlichten Gallup-Umfrage gaben nur zweiunddreißig Prozent der Jamaikaner an, sich gegen Corona impfen zu lassen – eine der höchsten Zögerlichkeitsraten weltweit und weit unter den etwa sechzig bis siebzig Prozent, die nach Schätzungen von Experten der Weltgesundheitsorganisation nötig sind, um eine Herdenimmunität zu erreichen.

Die Rastafari-Bewegung entwickelte sich in den 1930er Jahren auf Jamaika nach einer Prophezeiung, dass ein schwarzer Mann in Afrika zum König gekrönt werden würde. Haile Selassie wurde daraufhin zum äthiopischen Kaiser ernannt. Mit einer Mischung aus alttestamentarischer christlicher Prophezeiung und panafrikanischem politischem Bewusstsein wurde die Rastafari-Philosophie und der Lebensstil durch Bob Marleys Reggae-Songs weltweit bekannt. Die „School of Vision“ hat sich vor Jahren in die Berge außerhalb der Hauptstadt Kingston zurückgezogen, um die Übel der modernen westlichen Gesellschaft, die die Rastafari als „Babylon“ bezeichnen, zu vermeiden und ein natürlicheres, harmonischeres Leben zu führen. Viele der Anhänger ziehen die natürliche Ordnung der Dinge dem westlichen Lebensstil vor und auch der durchschnittliche Jamaikaner hat Skepsis wegen des Misstrauens der Rastafari. Zudem raten Gruppen wie evangelikale Kirchen von den Impfstoffen ab.

Die Behörden haben bisher nur etwa 57.000 Menschen vollständig geimpft – nicht einmal zwei Prozent der Bevölkerung – und hat Schwierigkeiten, die notwendigen Vorräte zu beschaffen. Für einige Rastafari ist das alles nur ein Ammenmärchen. „Es ist ein falscher Alarm“, so der populäre Reggae-Künstler Worin Shaw (44), bekannt als Jah Bouks, gegenüber „Reuters“. „Sie fabrizieren eine Menge Dinge, die Regierung und die Wissenschaftler. Es ist alles eine Geldmacherei“.

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