Maxima Ccalla ist eine indigene Quechua-Frau. Die 60-Jährige hat ihr Leben damit verbracht, den rauen Boden in Perus Andenhochland zu bearbeiten und sich mit einem Schicksal abgefunden, das weit entfernt ist von den riesigen Reichtümern, die tief unter ihren Füßen in Flözen aus Kupfer, Zink und Gold vergraben sind. Die Andengemeinden in Ccallas Heimatregion Puno und darüber hinaus sind schon lange mit den Bergbauunternehmen aneinandergeraten, die die Bodenschätze aus dem Boden graben. In jüngsten Interviews klagten viele der Bewohner, sie fühlten sich diskriminiert und ausgegrenzt und beschuldigten die Bergbauunternehmen, ihr Wasser und ihren Boden zu verschmutzen. Ccalla ist eine von Millionen meist armen und ländlichen Peruanern, die bei der Stichwahl am 6. Juni für Castillo stimmten. Ccalla trägt einen bunten, traditionellen Montera-Hut gegen die Sonne und ihre Forderungen sind laut einem Bericht von „Reuters“ einfach: Sie will sauberes Trinkwasser. In einem Land, das immer noch unter dem Schatten einer kolonialen Vergangenheit steht, weckt der Aufstieg eines Außenseiter-Politikers und Sohn eines Kleinbauern nun Hoffnungen auf Veränderung. Er hat auch ein Schlaglicht auf die krassen Unterschiede zwischen dem ländlichen Andenhochland und den abgelegenen Amazonas-Siedlungen und den wohlhabenderen – und weißeren – Küstenstädten geworfen.
Pedro Castillo, der einen Bauernhut aus Stroh trägt und seine bescheidenen dörflichen Wurzeln hochspielt, hat versprochen, Perus „vergessenen“ ländlichen Gruppen eine Stimme zu geben und den mineralischen Reichtum des zweitgrößten Kupferproduzenten der Welt umzuverteilen. „Die Plünderung ist vorbei, der Diebstahl ist vorbei, der Überfall ist vorbei, die Diskriminierung des peruanischen Volkes ist vorbei“, so Pedro er bei einer Rede in Cuzco. Der sozialkonservative Linke steht kurz davor, offiziell als Präsident bestätigt zu werden, nachdem er die ländliche und indigene Wählerschaft begeistert hat – auch in mineralienreichen Regionen wie Puno. „So lange haben die Regierungen versprochen unsere Probleme zu lösen, aber nichts hat sich geändert“, so Ccalla in Quechua laut einem Übersetzer.
Mehr als ein Dutzend Anführer und Aktivisten von Quechua- und Aymara-Gemeinschaften, die über die Anden verstreut sind und andere tief im Amazonas-Regenwald hunderte von Meilen nördlich, sprachen mit „Reuters“ offen über die Diskriminierung, der sie ausgesetzt sind. In Puno, der Region in der Castillo beheimatet ist, erhielt er etwa neunzig Prozent der Stimmen. Das Logo seiner Partei, ein gelber Bleistift auf rotem Grund, war auf die Wände einzelner Häuser gemalt worden – die einzigen hellen Farbtupfer weit und breit. Obwohl Castillo sich nicht als Mitglied einer indigenen Gemeinschaft identifiziert sagten diejenigen, die mit „Reuters“ sprachen mit überwältigender Mehrheit, dass sie sich aufgrund seiner bescheidenen Erziehung und seines Hintergrunds als Bauer mit ihm als „einem von uns“ identifizieren könnten. Wie bei Boliviens Evo Morales vor einem Jahrzehnt hoffen sie, dass er marginalisierten Gruppen eine größere Repräsentation geben wird und einen mehr staatlich geführten Ansatz für den Bergbau, um höhere Sozialausgaben zu erreichen. „Jetzt sehen wir viele Möglichkeiten für die Zukunft – er wird ein guter Präsident sein“, so Rene Belizario (34), ein Quechua. „Das ist unsere Chance. Wenn Pedro allerdings nicht liefert, wird sich das Volk erheben. Es wird Proteste geben“, fügte er hinzu. Der Bergbau ist ein wichtiger Motor der peruanischen Wirtschaft. Metalle sind der größte Export des Landes und Castillo wird trotz seiner Pläne, die Dinge umzukrempeln, seinen Weg nach vorne verhandeln müssen. Und was die bäuerlich geprägten indigenen Gemeinden in Sachen Entwicklung wollen, stimmt selten mit den Vorstellungen der Regierung im fernen Lima überein.
Castillo ist nicht der erste indigene Führer Perus. Alejandro Toledo, ein Quechua der in den frühen 2000er Jahren Präsident war, hatte bei den Andengruppen die Hoffnung geweckt, dass er ihnen mehr Profil geben würde – ließ sie aber weitgehend enttäuscht zurück. Ebenfalls hatte der linksgerichtete Ex-Präsident Ollanta Humala einen Dialog mit den indigenen Gruppen geführt, wurde aber dafür kritisiert, dass er die Ölinteressen über die Wahrung ihrer Landrechte stellte. Indigene Führer sagten „Reuters“, dass sie sich entschieden hätten Castillo zu unterstützen, nachdem er sich mit ihnen getroffen und ihre Forderungen angehört hatte. Er versprach ihnen, indigenes Land zu schützen und eine neue Verfassung zu fordern. Die Ureinwohner sind der Meinung, dass ihr Land jahrzehntelang von privaten Unternehmen gestohlen und von der Regierung konzessioniert wurde. Sie wissen auch, dass etwa zweihundert Jahre „kolonialistische, rassistische, klassistische und männlich-chauvinistische Erziehung“ schwer rückgängig gemacht werden können und fürchten, dass Castillo sie verraten und ihm die Macht zu Kopf steigen könnte. Aber das Letzte, was sie als indigene Gemeinschaften verlieren wollen, ist die Hoffnung.
Update, 20. Juli
Die Wahlbehörde hat den Triumph von Pedro Castillo offiziell gemacht und der Kandidat von „Peru Libre“ wird der nächste Präsident des südamerikanischen Landes sein.
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