Ein Team internationaler Wissenschaftler aus den USA, Frankreich, Australien und Deutschland, unter ihnen Senckenberger Uwe Fritz, hat heute die 9. Auflage des Atlas „Turtles of the World“ veröffentlicht. In der Publikation finden sich nicht nur detaillierte Beschreibungen aller 357 Schildkrötenarten, sondern auch Informationen zum Gefährdungsstatus aller Arten sowie ein Vergleich ihrer heutigen und ursprünglichen Verbreitungsgebiete. Die Ergebnisse der Forscher rund um Erstautor Anders G.J. Rhodin sind alarmierend: Etwa die Hälfte der Schildkrötenarten sind vom Aussterben bedroht.
Mit 226 Zentimetern Panzerlänge ist die Lederschildkröte Dermochelys coriacea die größte Meeresschildkröte weltweit, am Land beeindruckt die Seychellen-Riesenschildkröte Aldabrachelys gigantea mit einem Panzer von bis zu 138 Zentimetern Länge. Viel kleiner geht es bei der Vallarta-Schlammschildkröte Kinosternon vogti zu – nur 10,2 Zentimeter werden die Panzer dieser weltweit kleinsten Sumpfschildkröte lang. Diese tierischen Rekorde finden sich allesamt in der neunten Auflage des Atlas „Turtles of the World“, die heute erschien. „Wir liefern hier eine Zusammenstellung aller 357 wissenschaftlich anerkannten und heute noch lebenden Schildkrötenarten der Welt“, erläutert Prof. Dr. Uwe Fritz von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden und fährt fort: „Aber damit nicht genug: In der neuen Auflage beleuchten wir auch den Gefährdungszustand der Schildkröten und vergleichen deren ursprüngliche Lebensräume mit der heutigen Verbreitung. Damit bieten wir der nationalen und internationalen Gesetzgebung und dem Natur- und Artenschutz eine solide Handlungsgrundlage.“
Nicht weniger als 171 Schildkrötenarten sind als bedroht anzusehen – je fünf Arten und Unterarten wurden bereits in historischer Zeit und der jüngeren Vergangenheit ausgerottet. „Besonders große Arten, die auf spezielle Lebensräume angewiesen sind, sind betroffen. So sind alle großen asiatischen Schildkrötenarten von der Ausrottung bedroht, die ursprünglich in Flussmündungen oder Flüssen verbreitet waren. Ihre Lebensräume werden immer kleiner, die Eier werden von Menschen geplündert und die großen Tiere selbst heute noch geschlachtet, um sie zu essen“, so der Dresdner Herpetologe. Laut der Studie gehören Schildkröten zu den am stärksten gefährdeten Wirbeltieren weltweit – alleine Primaten tauchen prozentual häufiger in der Liste bedrohter Tierarten auf.
Die Verbreitungsgebiete nahezu aller Schildkrötenarten haben sich gegenüber ihrer ursprünglichen Lebensräume drastisch verkleinert. Gründe hierfür sind Lebensraumverlust und Degradation der bisherigen Habitate durch Übernutzung. Die Verbreitungsgebiete der großen asiatischen Flussschildkröte Batagur trivittata und der Burma-Sternschildkröte Geochelone platynota in Myanmar sowie die Lebensräume der südafrikanischen Geometrischen Landschildkröte Psammobates geometricus sind um mindestens 90 Prozent geschrumpft.
„Das sind dramatische Zahlen, die schnellstmöglich zu einem umfassenden Schutz der Schildkröten führen müssen. Sonst sind diese Tiere, die den Aufstieg und Untergang der Dinosaurier erlebt haben, für immer verloren!“, warnt Fritz.
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