Laut den am Dienstagmorgen (11.) Ortszeit von der nationalen Geodaten- und Statistikbehörde Brasiliens „Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística“ (IBGE) veröffentlichten Daten lag die Inflation im größten Land Südamerikas zum Jahresende 2021 bei 10,06 Prozent. Es ist der höchste Wert seit sechs Jahren, als er 2015 in der Dilma-Regierung 10,67 Prozent erreichte. Der Dezember war jedoch durch eine Abschwächung des Indikators gekennzeichnet, insbesondere durch die Kraftstoffpreise, die den Inflationsindex für die brasilianische Zentralbank „IPCA“ das ganze Jahr über unter Druck setzten. Im Monatsvergleich stieg die Inflation um 0,73 Prozent, verglichen mit 0,95 Prozent im November. Trotz der Verlangsamung zum Jahresende lag die offizielle Inflationsrate Ende 2021 deutlich über dem von der Zentralbank „Banco Central do Brasil“ festgelegten Ziel (3,75 Prozent), das eine Toleranzspanne von 1,5 Prozentpunkten (p.p.) nach oben oder unten, d.h. von 2,25 bis 5,25 Prozent, vorsah. Für das Jahr 2022 geht der Focus davon aus, dass die Inflation am Ende des Jahres bei 5,03 Prozent und damit über der angestrebten Obergrenze liegt.
Die Hauptverursacher der Inflation waren im vergangenen Jahr Strom, Brennstoffe und Lebensmittel. Die Gruppe Transport stieg um 21,03 Prozent, gefolgt von Wohnen/Miete (13,05 Prozent) und Nahrungsmitteln und Getränken (7,94 Prozent). Auf die drei Gruppen zusammen entfielen rund neunundsiebzig Prozent der „IPCA“ für 2021. Die Kraftstoffpreise stiegen angesichts des steigenden US-Dollars und der weltweiten Nachfrage nach Erdöl sprunghaft an. Die Wasserkrise, die schlimmste der letzten einundneunzig Jahre, hat den Strompreis für die Verbraucher in die Höhe getrieben und den nationalen Stromnetzbetreiber (ONS) gezwungen, thermoelektrische Kraftwerke zu aktivieren. Mit den sukzessiven Anpassungen an den Zapfsäulen hat sich der Benzinpreis im Jahr 2021 um 47,49 Prozent erhöht. Ethanol hingegen stieg um 62,23 Prozent und wurde auch von der Zuckerproduktion beeinflusst. Seit September gilt der Knappheitstarif für Wasserkraft, der einen Aufschlag von 14,20 Reais (1 US-Dollar entspricht 5,65 Reais) pro einhundert verbrauchte kWh vorsieht. Es wird erwartet, dass die Maßnahme bis mindestens April 2022 in Kraft bleibt.
Nachdem die Gruppe Nahrungsmittel und Getränke das Jahr 2020 mit einem Höchststand von vierzehn Prozent abgeschlossen hatte, stieg sie im Jahr 2021 um 7,94 Prozent und setzte die Inflation aufgrund der anhaltenden Dürre und des Frosts das ganze Jahr über unter Druck. Die klimatischen Phänomene wirkten sich auf die Produktion vor Ort aus, was zum Anstieg von Produkten wie Kaffee und Zucker beitrug. Finanzanalysten zufolge dürften die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse mindestens bis zur ersten Hälfte des Jahres 2022 weiter steigen. Der Anstieg der Kaffeepreise fand vor allem im zweiten Halbjahr statt, da die Produktion durch die Fröste im Winter geschädigt wurde. Der Zuckerpreis wurde durch ein geringeres Angebot und den Wettbewerb um den Rohstoff für die Ethanolproduktion beeinflusst. Das „IBGE“ veröffentlichte auch den Nationalen Verbraucherpreisindex (INPC), der die Inflation bei Familien mit geringerem Einkommen misst. Er schloss 2021 mit einem Höchststand von 10,16 und lag damit über den 5,45 Prozent von 2020. Das „INPC“ wird auf der Grundlage von Familien mit einem Einkommen von einem bis fünf Mindestlöhnen (knapp 1.100 Reais) berechnet.
Perspektiven
Wirtschaftsanalysten gehen davon aus, dass sich die Inflation im Laufe des Jahres 2022 abkühlen wird, aber der „IPCA“ dürfte weiterhin unter Druck bleiben und über der Zielmarke von fünf Prozent liegen. Sollte sich dies bestätigen, so wäre dies die zweite Überschreitung des Inflationsziels durch die Zentralbank in Folge. Während der geldpolitische Straffungszyklus und die Normalisierung der globalen Produktionsketten dazu führen, dass der Indikator an Stärke verliert, dürften steuerliche Unsicherheiten und inflationäre Trägheit die Inflation nicht so schnell sinken lassen.
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