In einem bahnbrechenden Strafprozess in Argentinien ist der Staat für das Massaker an mehr als vierhundert Indigenen vor fast einem Jahrhundert schuldig gesprochen worden. Die Qom- und Moqoit-Gemeinschaften hatten gegen die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen auf einer Baumwollplantage protestiert, als die Behörden sie 1924 erschossen. Bislang war die Verantwortung dafür nie offiziell anerkannt worden. Ein Richter hat nun angeordnet, dass den Gemeinschaften eine historische Entschädigung zugesprochen wird. Die Qom- und Moqoit-Völker in Argentiniens nördlicher Chaco-Region lebten teilweise als Sklaven auf einer Plantage, die von eingewanderten Bauern aus Europa angelegt worden war. Sie waren unterernährt, wurden mit Gutscheinen bezahlt, für die von ihnen geerntete Baumwolle besteuert und durften sich meist nicht frei bewegen, berichten lokale Medien unter Berufung auf Gerichtsdokumente.
Nach Berichten von Überlebenden starben viele Kinder und ältere Menschen bei dem Massaker. Diejenigen, die verwundet wurden und nicht fliehen konnten, wurden „auf die grausamste Art und Weise getötet, mit Verstümmelungen und Beerdigungen in Gemeinschaftsgräbern“, so Richterin Zunilda Niremperger. Ein Bundesrichter hatte die Massentötungen zuvor als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft, aber es war nie zu einem Strafprozess gekommen, weil die Angeklagten bereits gestorben waren. Am Donnerstag (19.) wurde nach einmonatigen Anhörungen nun ein Schuldspruch gefällt. „Das Massaker hatte schwerwiegende Folgen, [diese Menschen] litten unter dem Trauma des Terrors und wurden durch den Verlust ihrer Sprache und ihrer Kultur entwurzelt“, wird Richter Niremperger zitiert.
Zu den vom Richter angeordneten Wiedergutmachungsmaßnahmen gehören die Aufnahme des Massakers in den argentinischen Lehrplan und die Fortsetzung der forensischen Suche nach den sterblichen Überresten der Opfer. Eine finanzielle Entschädigung wurde nicht gefordert. Raquel Esquivel, eine Nachfahrin der Qom-Gemeinde, erklärte gegenüber „AFP“, es sei höchste Zeit, dass „die Stimmen der Indigenen gehört werden“ und „die Wahrheit gesagt wird“. Dies war der erste Prozess dieser Art in Lateinamerika und könnte den Weg für weitere Fälle ebnen, in denen Verbrechen gegen indigene Gemeinschaften in der gesamten Region anerkannt werden.
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