Erneutes Wunder in Haiti: Minouche taucht nach fünf Monaten wieder auf

Minouche-zurueck

Datum: 25. Juni 2010
Uhrzeit: 18:13 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Sie erinnern sich meiner früheren Haustierwelt: ich lebte mit Kolibris, Schleiereulen, aber vor allem mit meiner lieben Deutschen Schäferhündin Ata und meinem geliebten Schmusekätzchen Minouche zusammen. Wir alle bereiteten uns fast täglich viel Freude.

Mit dem furchtbaren Ereignis vom 12.Januar war alles weg, mit einem Schlag. Das ganze Haus stürzte zusammen, ebenso die Häuser der Nachbarschaft, und nur dem Umstand, dass ich gerade auswärts weilte ist zu verdanken, dass ich noch lebe. Die Schäferhündin Ata bewohnte und bewachte das Dach und soll von dort, laut Augenzeugen, Sekunden vor dem Beben abgesprungen und davongerannt sein. Zweifellos, um mich zu suchen, denn sie liebte mich über alles (und umgekehrt). Mit Sicherheit sucht sie mich heute noch.

Die „wilden“ Tiere wie Kolibris, Eulen und Riesenschlangen haben wohl auch rechtzeitig Deckung gesucht, aber das sind reine Vermutungen. Und wo ist „Deckung“ bei einem Erdbeben, im Freien, weit weg von der Deckung. Und wissen das die Tiere  Meine eigene Geschichte haben Sie ja wohl gelesen. Nach zehn Tagen Not-Biwak unter freiem Himmel hat mich die Botschaft nach der Dominikanischen Republik evakuiert, wo ich wochenlang auf Platz in einem Flugzeug warten musste. In Paris wurden wir, ich hatte meine Pflegerin und Mitarbeiterin Melissa stets bei mir, noch brutal überfallen und aller Dokumente etc. beraubt, sodass meine Begleiterin monatelang dort bleiben musste und nicht zu ihren Kindern zurückkehren konnte. Nach endlich gelungener Rückkehr erkrankte sie noch schwer an Typhus und überlebte nur knapp. Wer konnte denn da noch überleben, in Haiti?

Unser Kätzchen machte das besser, das überlebte in den Trümmern und tauchte, bestimmt mit unendlich viel Schock, gestern unvermittelt wieder auf. Natürlich holten wir das Tierchen unverzüglich, und jetzt schläft es – seit Stunden – neben mir im Bett in Montagnes Noires und muss sich zuerst einmal erholen. Es braucht wirklich Ruhe,  wir alle zuerst auch, und jetzt noch. Es kannte uns kaum noch, fraß zwar das mitgebrachte Katzenfutter gierig und verschwand gleich wieder in Deckung, bevor es ausgefressen hatte. Wir konnten es nicht verhindern.

Die anwesenden Haitianer waren aber geschickte Katzenkenner; sie rieten uns mit Bestimmtheit, zu verschwinden, und genau in einer Stunde wiederzukommen, da werde das Kätzchen da sein. Und weil ich in den 20 Jahren gelernt habe, in diesem Land auch an Wunder zu glauben, „gehorchte“ ich. Und alles geschah so. Nach genau einer Stunde lag Minouche wieder im Auto, diesmal mit viel Verbandstoff „angeseilt“, Verbandstoff, fast alles, was es in Haiti noch gibt. Das Kätzchen reagierte nicht mehr auf Lockfutter und andere Verlockungen, es schrie pausenlos. Und wir fuhren los, Richtung Hauptstadt ( die nicht mehr besteht ) und Montagnes Noires. Ja es war schwarze Nacht, als wir dort ankamen. Und Minouche hatte sich etwas ans Auto gewöhnt und zu schreien aufgehört. Sie klammerte sich mit ihren rasierklingenscharfen Krallen an eine Rückenlehne und wagte kaum die Augen zu öffnen. Ich streichelte sie unentwegt, sprach leise unentwegt auf sie ein. Oberstes Ziel: das Tierchen zu beruhigen.

So kamen wir endlich in den Schwarzen Bergen an. Meine einheimischen Begleiter sind sich Wunden besser gewöhnt als ich und brachten das Büsi nach Hause, in die Bergburg. Dort entstand obiges Foto. Das Büsi ist noch völlig erschöpft und schläft nur noch. Es hat nicht einmal auf einen mitternächtlichen Besuch reagiert, da kam überraschend ein einheimischer Kater aus den Schwarzen Bergen zu Besuch, wie der ein paar Stockwerke höher das Büsi witterte, bleibt mir ein Rätsel. Jedenfalls kletterte er die senkrechten Außenwände hoch, besuchte uns im Schlafzimmer, staunte dass Minouche nicht reagierte sondern weiterschlief, und machte sich dann an ihren Futternapf, was tut’s.

Jedenfalls sind jetzt bald 24 Stunden vorbei, Büsi ist erwacht, hat „angekoppelt“ und meidet nur noch die Kinder – begreiflich. Ich musste runter in ein Restaurant in Pétion-Ville, muss Ihnen das doch gleich erzählen, und oben gibt’s keinen Strom, wieder mal. Ein Lastwagen sei in einen der neuen Masten gefahren, der stromlose Zustand wird also ein paar Tage dauern. Aber jetzt wissen Sie’s, alles in Ordnung, und ab die Post. Das Kätzchen Minouche aber hat mit Sicherheit und mit ganz viel Schocks überlebt. Jetzt, ein halbes Jahr später. Und in Haiti schon wieder ein Wunder mehr!

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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  1. 1
    ute kettler

    Danke, Swissfot, für diese wunderschöne Schilderung. Alle Deine Artikel werden von uns hier immer mit Freude gelesen gelesen und darüber gesprochen.
    Ganz liebe Grüße aus Cabarete, Dominikanische Republik, Chinola

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