Die beschleunigte Inflation und die Spekulation verursachen ernsthafte Probleme für die lateinamerikanischen Währungen. Luiz Ignácio Lula da Silva, ehemaliger brasilianischer Präsident und jetziger Kandidat, hat die Idee einer einheitlichen Währung für die gesamte Region aufgegriffen – aber der Weg dorthin ist nicht einfach. Für Luiz Inácio Lula da Silva geht es um die Unabhängigkeit der gesamten Region: „So Gott will, werden wir eine gemeinsame Währung für Lateinamerika schaffen, denn wir sollten nicht vom Dollar abhängig sein“, so Lula vor einigen Wochen. Es bleibt abzuwarten, ob dies nur ein Versuch ist, im beginnenden Wahlkampf ein Zeichen zu setzen, oder ob der ehemalige brasilianische Präsident, der derzeit in den Umfragen vorne liegt, diese Idee wirklich ernst meint. Doch die Initiative hat eine Debatte ausgelöst.
Eine einheitliche Währung namens „Sur“
Zuvor hatte bereits Fernando Haddad diese nicht ganz neue Idee aufgegriffen. Haddad ist ein ehemaliger Bürgermeister von Sao Paulo und ehemaliger Präsidentschaftskandidat der linken Arbeiterpartei (PT), der bei der Wahl 2018 gegen den amtierenden brasilianischen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro verlor. Kürzlich griff er diese Idee in einem Artikel für die Zeitung „Folha“ wieder auf. Die neue Währung hat in Haddads Gedankenspiel sogar einen Namen und würde „Sur“ heißen. Und wenn ein politisches Schwergewicht wie Lula diese Idee aufgreift, kann das als Beweis dafür gewertet werden, dass das Thema das Zeug dazu hat, die Menschen zu interessieren.
Kein einfacher Weg
Die Idee einer gemeinsamen Währung ist leicht zu formulieren, aber der Weg dorthin ist viel schwieriger. Jacques D’Adesky von der „Universidade Federal Fluminense“ in Rio de Janeiro verweist auf die Unterschiede und historischen Rivalitäten beispielsweise zwischen den Nachbarn Argentinien und Brasilien. „Die Schaffung einer gemeinsamen Währungszone würde zunächst viele Verhandlungen zwischen den künftigen Partnern erfordern“, erklärte D’Adesky gegenüber „DW“ (Deutsche Welle ist der Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland). Dieser Prozess würde Jahre dauern. Der Wirtschaftswissenschaftler Leandro Dias von der Bank „AkinTec“ in Sao Paulo will erst einmal abwarten, ob die Idee den aktuellen Wahlkampf übersteht. Im Prinzip hat der Mercosur-Wirtschaftsraum (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) jedoch bereits zu einer engeren Zusammenarbeit in der Region beigetragen. Aber im Moment wollen die meisten Länder noch ihre Souveränität und wirtschaftliche Unabhängigkeit bewahren.
Maduro befürwortet auch einheitliche Währung
Eine einheitliche lateinamerikanische Währung, wie sie von Haddad konzipiert wurde, soll „den Handel zwischen den Ländern der Region verbessern“. Nach Haddads Vorschlag sollte es sich um eine digitale Währung handeln, die von einer Zentralbank unterstützt wird. Um jedoch den ersten Schritt in diese Richtung zu tun, ist eine Absichtserklärung mehrerer Regierungen erforderlich, bevor die Verhandlungen beginnen können. Die Idee einer gemeinsamen Währung wurde kürzlich in Venezuela vom Regime von Nicolás Maduro wieder aufgegriffen, dessen Land seit Jahren unter einer chronischen Inflation leidet. Maduro schlug vor, den eigentlich unbedeutenden „Sucre“, das Zahlungsmittel des von der Linken dominierten Staatenbündnisses „ALBA“, als regionales digitales Zahlungsmittel zu fördern, das den US-Dollar ersetzen könnte. Allerdings ist der „Sucre“ bis heute nicht über einen symbolischen Status hinausgekommen. Und angesichts der anhaltenden Krise in Venezuela ist das Vertrauen in Maduros wirtschaftliche Kompetenz in der Region mehr als gering.
Europa als Vorbild
Die Einführung einer einheitlichen lateinamerikanischen Währung hätte auch eine ähnliche politische Dimension wie die des Euro in Europa. Lateinamerika (oder Südamerika) würde wirtschaftlich und gesellschaftlich näher zusammenrücken und als ein einziger Wirtschaftsraum betrachtet werden. Der von Haddad vorgeschlagene „Sur“ wäre dann der Vorläufer einer politischen Entwicklung, die eines Tages zu einer Lateinamerikanischen Union oder zu den „Vereinigten Staaten von Lateinamerika“ führen könnte.
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