Uruguay: Entmystifizierung der chinesischen Hegemonie

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Entgegen mancher Wahrnehmung ist China also nicht der Hauptakteur in Südamerika - und auch nicht in Uruguay (Foto: Instituto Humanitas Unisinos)
Datum: 28. August 2023
Uhrzeit: 12:29 Uhr
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Autor: Redaktion
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Chinas kometenhafter wirtschaftlicher Aufstieg in den letzten Jahrzehnten ist unbestreitbar. Es hat sich von einer weitgehend agrarischen Wirtschaft zu einem industriellen und technologischen Kraftwerk entwickelt und ist von einem Anteil von 3 % am weltweiten BIP im Jahr 1990 auf 18 % gestiegen, womit es sich neben den USA und Europa als dritter Wirtschaftsmotor etabliert hat. Angesichts dieses außergewöhnlichen Wachstums wird eine chinesische Führungsrolle in der Region wahrgenommen. Die jüngste Veröffentlichung von Ernesto Talvi und José Pablo Martínez, „Haben die EU und die USA Lateinamerika aufgegeben und ist China der dominierende Akteur in der Region? Del relato a los datos“ wirft diese Frage von großer Bedeutung für Lateinamerika und insbesondere für Uruguay auf. Die Autoren argumentieren, dass es dieser Wahrnehmung an empirischer Unterstützung mangelt. Daher stellt sich die Frage: Wie positioniert sich Uruguay in diesem Kontext? Spiegelt es den regionalen Trend wider oder weist es eine andere Dynamik auf?

Handel und Dienstleistungsverkehr

Im Bereich des internationalen Handels hat sich das Wirtschaftswachstum Chinas in einem deutlichen Anstieg seines Anteils am Welthandel niedergeschlagen. China steht sowohl bei den Exporten mit 18 % an der Spitze und übertrifft damit Mächte wie die EU und die USA als auch bei den Importen, die 14 % des Gesamtvolumens ausmachen und damit mit diesen beiden großen Volkswirtschaften gleichziehen. In Südamerika hat sich China als wichtigstes Exportziel herauskristallisiert und übertrifft damit die EU und die USA; Länder wie Chile, Brasilien und Peru liefern mehr als 30 % ihrer Warenexporte nach China.

Uruguay ist da keine Ausnahme. In den letzten dreieinhalb Jahrzehnten ist das Handelsvolumen mit China um das 60-fache gestiegen. China hat sich als wichtigstes Zielland für uruguayische Exporte etabliert. Obwohl die Exporte nach China im Jahr 2022 langsamer wuchsen als im Jahr 2021 und zuletzt in einigen Monaten des Jahres 2023 aufgrund der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft einen gewissen Rückgang verzeichneten, bleibt China der wichtigste Handelspartner. Die Verkäufe nach China beliefen sich im Jahr 2022 auf 3,675 Milliarden US-Dollar, was 28 % der Gesamtexporte Uruguays ausmacht. Dieser Anstieg ist hauptsächlich auf Sojabohnen zurückzuführen, die 30 % der Ausfuhren in dieses Land ausmachten. Die Rindfleischausfuhren, die 40 % der Gesamtausfuhren ausmachten, gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr um 1 % zurück. Rückläufig waren auch die Verkäufe von Fleischnebenerzeugnissen, Holz, Milchprodukten, lebenden Rindern, Schaf- und Ziegenfleisch sowie Wolle. China ist nicht nur ein wichtiger Partner für Uruguays Exporte, sondern spielt auch eine wichtige Rolle bei den Importen. Im Jahr 2022 festigte China seine Position als zweitwichtigster Lieferant für Uruguay mit einem Anteil von 21 % an den Gesamteinfuhren.

Eine Analyse stellt fest, dass „die Handelsbeziehungen zwischen Südamerika und China durch einen starken Kontrast gekennzeichnet sind“: Während die Region überwiegend natürliche Ressourcen und Primärerzeugnisse (einschließlich daraus hergestellter Industriegüter) exportiert, importiert sie mittel- und hochtechnologische Industriegüter aus China. Dieser Trend ist auch im Falle Uruguays deutlich zu erkennen. Die Hauptexporte nach China konzentrieren sich auf Primärprodukte wie Rindfleisch, Fleischnebenprodukte, Milchprodukte, Holz, Schaf- und Ziegenfleisch und Wolle. Andererseits umfassen die Einfuhren aus China eine Vielzahl von Waren: Fahrzeuge, landwirtschaftliche Chemikalien, Kleidung, Schuhe und Technologie. Bei der Ausfuhr von Dienstleistungen, z. B. im Tourismus und bei globalen Dienstleistungen, verliert China dagegen an Bedeutung. Im Gegensatz dazu sind sowohl die USA als auch die EU die wichtigsten Zielländer für südamerikanische Dienstleistungsexporte. Auch in Uruguay sind die USA das wichtigste Exportziel für globale Dienstleistungen. Insbesondere im Jahr 2021 gingen mehr als 58 % der Verkäufe des IKT-Sektors in dieses Land, das traditionell sein wichtigster Markt ist. An zweiter Stelle steht das Vereinigte Königreich mit mehr als 17 %, gefolgt von Ländern wie Chile, Kolumbien, Kanada und Argentinien. Was den Tourismus anbelangt, so zeigt sich in Uruguay ein ähnlicher Trend wie in ganz Lateinamerika, mit einer deutlichen Dominanz von Besuchern aus den westlichen Blöcken und der Region. Im Jahr 2022 übertraf die Zahl der Besucher aus den USA und Europa diejenige aus Nachbarländern wie Paraguay und Chile. Der Zustrom von chinesischen Touristen ist sehr gering.

Investitionen

Was die Investitionen anbelangt, so haben wir in den letzten Jahren ein stetiges Wachstum der ausländischen Direktinvestitionen (ADI) aus China in die Welt beobachtet, das sogar die Investitionen aus Europa übertrifft. Allerdings liegen diese Zahlen immer noch hinter den Abflüssen aus den Vereinigten Staaten zurück. Nach Angaben der Weltbank beliefen sich die ausländischen Direktinvestitionen in den USA im Jahr 2022 auf 435 Milliarden US-Dollar, während Chinas Bestand an ausländischen Direktinvestitionen 149 Milliarden US-Dollar betrug. Chinas FDI-Bestände befinden sich hauptsächlich in Asien, Afrika und Russland. Im Gegensatz dazu ist Lateinamerika die aufstrebende Region mit der geringsten Präsenz chinesischer Direktinvestitionen, deren Bestand an ausländischen Direktinvestitionen kaum 1 % des regionalen BIP übersteigt“. In diesem Zusammenhang sind auch die chinesischen Investitionen in Uruguay marginal.

Laut dem jüngsten ECLAC-Bericht über ausländische Direktinvestitionen kamen 2021 die größten Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen nach Uruguay aus Brasilien, Argentinien, Spanien, Singapur, Luxemburg und den Bermudas. In diesem Jahr wurden 504 Projekte im Wert von 534 Millionen US-Dollar gefördert, von denen nur 22 im Wert von 123 Millionen US-Dollar auf ausländische Unternehmen entfielen. Im Jahr 2020 wurden 287 Projekte vorgestellt, von denen 38 aus dem Ausland stammten, mit einem Investitionsvolumen von 185 Millionen US-Dollar. China war mit nur 0,1 % im Jahr 2020 und 1,0 % im Jahr 2021 in diesen Zahlen nur begrenzt vertreten. Dagegen kamen die meisten Investitionen aus den USA (20 % im Jahr 2020 und 48 % im Jahr 2021) und aus Europa (56 % bzw. 35 % in diesen Jahren). Was die Investitionsmöglichkeiten betrifft, so hat Uruguay XXI zwischen 2019 und 2021 15 potenzielle chinesische Projekte betreut, während 82 aus Nordamerika und 67 aus Europa kamen.

Kurz gesagt, China hat sich in drei Jahrzehnten als Wirtschaftsmacht konsolidiert und spielt eine vorherrschende Rolle im südamerikanischen Handel und speziell in Uruguay, aber sein Einfluss beschränkt sich auf den Austausch von Primär- und Industriegütern. Seine Beteiligung an Produkten mit hoher Wertschöpfung, am Tourismus und an globalen Dienstleistungen ist begrenzt. Außerdem tritt es im kleinsten spanischsprachigen Land Südamerikas weder als Investor noch als Finanzier in Erscheinung. Entgegen mancher Wahrnehmung ist China also nicht der Hauptakteur in Südamerika – und auch nicht in Uruguay.

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