Lateinamerika: Zahl der getöteten Medienschaffenden schon jetzt höher als 2024

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Veracruz ist einer der tödlichsten Bundesstaaten für Medienschaffende in Mexiko (Foto: Archiv)
Datum: 25. Juli 2025
Uhrzeit: 14:38 Uhr
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Autor: Redaktion
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Sie berichteten über Korruption, organisiertes Verbrechen oder Umweltthemen: Seit Januar wurden mindestens 13 Journalisten in Lateinamerika getötet. Das sind vier mehr als im vergangenen Jahr insgesamt. In Mexiko ist die Lage besonders alarmierend: Das Land bleibt mit acht ermordeten Journalisten das gefährlichste Land der Region. Reporter ohne Grenzen (RSF) dokumentierte außerdem zwei Morde in Peru, einen in Kolumbien, einen in Guatemala und einen in Ecuador. In allen Fällen wurden die Journalisten vermutlich wegen ihrer journalistischen Arbeit getötet. Die meisten von ihnen arbeiteten für kleine, lokale Medien. Mehrere hatten bereits Drohungen erhalten oder sahen sich gezielter Rufschädigung ausgesetzt. Zwei von ihnen standen sogar unter staatlichem Schutz.

„Der Anstieg tödlicher Gewalt in diesen lateinamerikanischen Ländern ist alarmierend“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Es braucht endlich ernst gemeinten politischen Willen, um dieser Gewaltspirale ein Ende zu setzen. Außerdem müssen die Verbrechen gründlich und unabhängig untersucht werden. Sie dürfen unter keinen Umständen straffrei bleiben.“ Nicht immer werden Ermittlungen eingeleitet. Und wenn doch, bleiben Mordfälle und andere Gewalttaten oft unaufgeklärt. Diese Straflosigkeit sendet ein fatales Signal an Journalistinnen und Journalisten und kann dazu führen, dass sie aus Angst vor den Folgen nicht mehr berichten.

Mexiko: Höchste Mordrate in Lateinamerika

Trotz der Zusagen von Präsidentin Claudia Sheinbaum, die Pressefreiheit zu stärken, verzeichnet Mexiko weiterhin die höchste Mordrate an Medienschaffenden in Lateinamerika. Im Juli wurden an drei aufeinander folgenden Tagen zwei Journalisten getötet und einer tot aufgefunden.

Am 17. Januar wurde der Journalist Calletano de Jesús Guerrero im Bundesstaat Mexiko ermordet – obwohl er seit 2014 unter Polizeischutz stand. Alejandro Gallegos de León, Leiter der Facebook-Nachrichtenseite La Voz del Pueblo, wurde am 25. Januar tot aufgefunden, nachdem er am Tag zuvor vermisst gemeldet wurde. Er recherchierte zu politischen Themen und organisiertem Verbrechen im Bundesstaat Tabasco. Am 2. März wurde der Gründer und Leiter der Facebook-Nachrichtenseite El Silaoense Mx, Kristian Uriel Zavala Martínez, im Bundesstaat Guanajuato durch mehrere Schüsse getötet. Weniger als zwei Wochen später wurde ein weiterer Journalist in Guanajuato ermordet: Unbekannte Männer entführten und erschossen den Journalisten und Anwalt Raúl Irán Villarreal Belmont. Beide recherchierten zu staatlicher Gewalt, Korruption und Verschleppungen.

Auch José Carlos González Herrera berichtete über lokale Themen, darunter Politik und Sicherheit, in einer der gefährlichsten Regionen des Landes. Er arbeitete für das Facebook-Nachrichtenportal El Guerrero, Opinión Ciudadana und wurde am 15. Mai im Zentrum von Acapulco im Bundesstaat Guerrero erschossen. Am 7. Juli wurde Ángel Sevilla, Journalist und Leiter der Nachrichtenseite Noticias 644, in Cajeme im Bundesstaat Sonora auf seinem Motorrad erschossen. Cajeme hat eine der höchsten Mordraten in Sonora und ist Brennpunkt für Konflikte zwischen kriminellen Gruppen. Einen Tag später, am 8. Juli, wurde auf der Insel Cozumel im Bundesstaat Quintana Roo die Leiche des Investigativjournalisten Melvin García gefunden. Berichten zufolge hatte er die Insel nach Drohungen im Zusammenhang mit einem von ihm veröffentlichten Buch verlassen und war erst vor wenigen Monaten zurückgekehrt. In dem Buch bringt er einen ehemaligen Politiker mit einem Femizid aus dem Jahr 1999 in Verbindung.

Wieder einen Tag später, am 9. Juli, wurde Ronald Paz Pedro erschossen – nur wenige Minuten nachdem er ein Live-Video über Straßenschäden in Acapulco veröffentlicht hatte. Er berichtete seit mehreren Jahren für die Facebook-Nachrichtenseite NotiExpress Paz Pedro unter anderem über Kriminalität. Darüber hinaus untersucht RSF den Fall von Salomón Ordóñez, Gründer und Redakteur der Facebook-Nachrichtenseite Shalom Cuetzalan Producciones. Er wurde am 23. Juni bei einem bewaffneten Überfall im Bundesstaat Puebla getötet. Aktuell ist noch unklar, ob der Journalist wegen seiner Arbeit getötet wurde.

Peru: Zwei Morde erschüttern die Medienbranche

Auch in Peru nimmt die strukturelle Gewalt insbesondere gegen Lokaljournalistinnen und -journalisten zu: Am 20. Januar wurde der Journalist Gastón Medina Sotomayor vor seinem Haus erschossen. Sotomayor war Gründer und Moderator von Cadena Sur TV, einem regionalen Fernsehsender mit großer Reichweite. Er hatte zuvor über Korruption berichtet und die lokalen Behörden kritisiert. In der Vergangenheit erhielt er bereits Morddrohungen. Am 7. Mai schossen zwei unbekannte Männer auf einem Motorrad dem Journalisten Raúl Celis López in den Kopf. López moderierte eine beliebte Morgensendung beim Radiosender Karibeña. Laut eigenen Aussagen hatte er wegen seiner Berichterstattung über Umweltzerstörung und illegalen Handel im peruanischen Amazonasgebiet Drohungen erhalten.

Die Lage der Pressefreiheit hat sich in Peru in den vergangenen Jahren erheblich verschlechtert. Gewalt und Einschüchterungen erschweren die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten, insbesondere in Regionen, die von organisierter Kriminalität und Korruption geplagt sind. Das im Jahr 2021 eingeführte staatliche Schutzprogramm verfehlt unter anderem wegen fehlender Finanzierung seine Wirkung.

Kolumbien: Wer berichtet, riskiert sein Leben

In Kolumbien verschärft die Ermordung des renommierten Radiojournalisten Óscar Gómez Agudelo am 24. Januar die sowieso angespannte Lage für die Presse – insbesondere für Medienschaffende, die zu den Verbindungen zwischen bewaffneten Gruppen und der lokalen Politik recherchieren. Am 5. Juli überlebte Gustavo Chicangana Álvarez, Leiter des Radiosenders Guaviare Estéreo und Korrespondent von Radio Caracol, einen Mordanschlag, bei dem dreimal auf ihn geschossen wurde. Die Behörden gehen davon aus, dass er wegen seiner Berichte zu den Kämpfen krimineller Gruppen angegriffen wurde.

Guatemala: Tödliche Gewalt trotz Reformversuchen

Auch in Guatemala bleibt Journalismus, vor allem abseits der Hauptstadt, gefährlich. Am 21. März wurde der 27-jährige Journalist Ismael Alonzo González vor seinem Haus getötet, als Unbekannte ihm direkt in den Kopf schossen und anschließend flüchteten. Er war Leiter von Producciones Alonzo, einer Facebook-Seite, die sich auf lokale Nachrichten konzentrierte. Zuvor hatte er bereits Drohungen erhalten – mutmaßlich aufgrund seiner Recherchen zu kriminellen Gruppen in der Region. Trotz der Bemühungen von Präsident Bernardo Arévalo, die Pressefreiheit in Guatemala zu verteidigen, müssen Medienschaffende, die über Korruption und organisierte Kriminalität berichten, mit Einschüchterungen und Gewalt rechnen. Die guatemaltekische Justiz wird von Personen kontrolliert, die mit der Vorgängerregierung in Verbindung stehen. Sie untergräbt systematisch die Reformvorhaben der neuen Regierung.

Ecuador: Angst, Selbstzensur, Exil

In Ecuador ist die Sicherheitslage für Journalistinnen und Journalisten ebenfalls sehr schwierig. Am 4. März wurde Patricio Ernesto Aguilar Vásquez, Chefredakteur der Lokalzeitung El Libertador, in der Provinz Esmeraldas im Norden Ecuadors mit mehr als 30 Schüssen ermordet. Auch er erhielt bereits Drohungen wegen seiner Berichterstattung zu Bandenkonflikten in Esmeraldas. Die zunehmende Gewalt an der Nordgrenze von Ecuador betrifft besonders auch Journalistinnen und Journalisten, die über die Kriminalität in der Region berichten. Aus Angst entscheiden sie sich häufig, bestimmte Themen auszusparen, oder fliehen ins Exil. Trotz Versprechungen der Regierung, die Sicherheit der Presse zu verbessern, weist das staatliche Schutzprogramm gravierende Mängel auf. Es ist nach wie vor unterfinanziert und eine schlechte Koordination zwischen den Regierungsstellen behindert die wirksame Umsetzung von Schutzmaßnamen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Mexiko auf Rang 121 von 180 Staaten, Peru auf 130, Kolumbien auf Platz 115, Guatemala auf 138 und Ecuador auf Rang 94.

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