Vorsintflutlich möchte man die Baumethoden nennen, die ich in nächster Nähe neben der Bergburg beobachten muss. Das Gerüst aus Bambusstangen und Palmblattseilen rührt zum Heulen, und doch sind es gerade diese traditionellen Bauten die dem Erdbeben meist widerstanden haben, all die Opfer sind weniger unter den selbstgemachten, luftgetrockneten Bausteinen als unter den großen Betonblöcken gestorben.
Da machen mich auch die nachträglichen Naseweisheiten der ausländischen „Fachleute“ nicht klüger, die wegen zu dünnen Betoneisen den Abbruch der einzig widerstandenen Schulen forderten, oder die Dislokation großer Bevölkerungsteile in feuergefährliche Zeltstädte anordneten. Mir fällt langsam auf, dass die meisten traditionellen Hütten noch stehen und scheinbar keine Menschenleben gefordert haben, während neue Geschäftshäuser zu tausenden eingestürzt sind. Von meiner Bank arbeiten nur noch wenige Ableger, die meisten sind eingestürzt, und obere Kader wurden entlassen, man brauche die Mittel jetzt zum Wiederaufbau der eingestürzten Filialen, heißt es.
Gerechtigkeitshalber muss ich auch sagen, dass in der Bergburg „nur“ der dritte Stock eingekracht ist, ich habe im unversehrten zweiten überlebt und konnte noch fliehen. Ich lebe erneut in diesem Haus, das beileibe auch ein Ergebnis traditioneller Handarbeit ist. Während mein luxuriöses Prachtshaus in Gressier mit doppelten Betondecken, Böden und Pfeiler mit mindestens doppelter Dicke, die Betoneisen ebenfalls in doppelter Anzahl und Dicke als üblich, samt sämtlichen ähnlich gebauten Nachbarhäusern komplett eingestürzt ist.
Natürlich finden die Fachleute immer eine Begründung; müssen sie ja. So lautete das „Urteil“ in der Schweiz, das Haus sei eben zu wenig im statischen Gleichgewicht gewesen – ich pfeife jetzt auf Statik und Fachleute, schlafe wenn möglich in einfachen Häusern mit rascherem Notausgang, am liebsten parterre in Hütten.
Jenseits einer tiefen Erosionsrunse entsteht die Residenz eines Superreichen, zuoberst auf einer Kuppe, in Art der Citadelle Laferrière. Das Heer von Arbeitern erinnert an deren Bau, da es damals noch keine Baumaschinen gab und auch heute solche keinen Zugang haben auf so steile und abgelegene Bischofshüte. Was mich daran interessiert, ist weniger die wohl identische Bauweise als die Widerstandskraft des gigantischen historischen Bauwerks, das sowohl das Riesenerdbeben von 1842, dem der Königspalast zum Opfer fiel, als das vom 12.Januar 2010 unbeschadet überstanden hat.
Dabei erstaunt nicht nur der Einsatz von Unmengen von Arbeitskräften, sondern auch der unbeanstandete Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der heutigen Zeit gibt zu denken. Wäre interessant zu hören, ob diese Jungen überhaupt bezahlt werden, und wenn ja, ob ihnen etwas bleibt von ihrem Schindwerk, oder ob sie die allfälligen Gourdes noch irgendwo abgeben müssen. Jedenfalls ist für mich das überrissene Privathaus auf einem unterirdischen Parkhaus, samt Bau einer Autostraße dort hinauf, ein heutiges Weltwunder. Oben auf der Parkhausdecke entsteht ein künstlich angelegter Park mit Palmen und Bäumen, und mittendrin wird das Wohnhaus errichtet. Und tausend Meter tiefer verhungern Kinder und verbrennen in Zelten… Eine Welt, die ich nicht mehr verstehen kann.
In einem Nachbarhaus der Bergburg werden die beim Erdbeben stehen gebliebenen Mauern unterhöhlt, damit nachträglich ein Fundament und stärkere Pfeiler unterschoben werden können. Ein paar Meter tiefer klaffen offene Bauruinen, die noch eingedeckt werden müssen. Offenbar überlegt sich der Bauherr eine erdbebensichere Überdachungstechnik; für ein Holzhaus oder ein Dach aus Palmblättern oder Zeltblachen ist es zu spät.
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