Einige erinnern sich, wie ich mich noch vor wenigen Monaten einsetzte für die Erhaltung der Küste mit ihrer natürlichen Lebenswelt, der Küstenebene für den Lebensunterhalt der Bauern und für die Nahrungssicherung der gesamten Bevölkerung: Spekulanten beschleunigen den Hungertod. Ich hatte die Bauern und einige Medien mobilisiert, das erste Spekulationsobjekt vor der Nase, eine Touristenbeach war geplant, mitten im Agrarland, und die Zubringerstraße schon vollendet.
Am 12.Januar hat die Natur das frevlerische Vorhaben jäh gestoppt. Das vorgesehene Wohn- und Administrationsgebäude stürzte in sich zusammen, und damit wohl auch die geplante Verwendung für längere Zeit. Bis diese unbekannte Zeit verstrichen ist, ist der neue Präsident im Amt, der neue Hoffnungsträger, und eine Hoffnung betrifft den längst überfälligen Einsatz einer Planung. Orts-, Regional- und Landesplanung oder einfach ORL heißt das Ding „bei uns“, und es wäre nirgends so dringlich wie hier. Vielleicht haben sie es bis dann gemerkt.
ORL müsste auch Schutz- und Gefährdungszonen umfassen, Gefährdung durch Erdrutsche, Überschwemmungen und Erdlawinen. Solche können durch tropische Platzregen, oder auch durch Erdbeben ausgelöst werden. Da wären dichtbesiedelte Wohngebiete in Geländesenken zu vermeiden, und auch in rutschgefährdeten Hängen zu verbieten. Und zu kontrollieren. Auch die Zersiedelung der Landschaft und die Verbauung der letzten Agrar- und Grünflächen müsste vermieden werden.
Natürlich ist Planung das Antonym von Freiheit, von der ja auch ich sehr viel profitierte in diesem Land. Doch was bei mir geschehen ist, damals am 12.Januar um 16.53 Uhr während 35 Sekunden, das hätte ich mit der besten Planung nicht vermeiden können. Dass ich selbst in diesen Sekunden auf der Bergburg war und dort weniger geschah, war Vorsehung, Schicksal, Schutzengel oder weiss nicht was, aber keine Planung.
ORL hat mich schon immer interessiert, auch bei uns drüben hat da noch einiges gemangelt. Ich habe mich denn auch in der Schule sehr damit befasst und einige Arbeiten bewirkt, und hier in Haiti wäre es nicht weniger nötig gewesen als heute. In Haiti herrschte gerade eine Militärjunta. Der damals exilierte Präsident wollte mich beratend an die Seite eines schon eingesetzten, ebenfalls im Ausland wirkenden Planungsministers stellen. Die Herren kamen in Mönchskutten inkognito nach Zürich und trafen mich im Bahnhofbuffet zwecks Kontaktnahme, ohne dass ich wusste um wen es sich handle. Kurz darauf wurde der Planungsminister im Ausland ermordet, und ich war wohl zu suspekt für weitere Kontakte, die brachen ab. Übrigens war ich froh über den Abbruch, denn ich wollte nichts mehr mit Politik zu tun haben, auch heute noch. Während der Wahlselektion wurde ja auch Wyclef mit Morddrohungen überschüttet, und für ihn hatte ich mich auch schon eingesetzt. Das hat sich indessen ja auch erledigt, wie das Beachprojekt vor der Nase.
Es dauert eben hierzulande, bis man Probleme nicht mehr mit der Pistole löst, oder bis sich einiges sonstwie geändert hat, etwa eine wirksame ORL besteht. Doch wahrscheinlich ginge mit solcher Anpassung auch ein Stück Reiz dieses Landes verloren, und das wäre nicht meine Wahlheimat geworden. Wir brauchen Agrarland statt Hotels, aber auch Planung statt Wildwest! Doch leider scheint es, dass mit dem Erdbeben noch nicht die letzte Stunde des Wilden Westens geschlagen hat. Soeben steigt Melissa hinunter nach Pétion-Ville, wo der ums Geld ermordete Gaffrey, eine bekannte, gütige Persönlichkeit, beerdigt wird.
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