In Argentinien wachsen bekanntlich nicht nur Rinder und Schafe besonders gut, auch kulturelle Höchstleistungen erblühen seit Jahrzehnten immer wieder aufs Neue. So sind Literatur und Film im achtgrößten Land der Erde so selbstverständlich zu Hause, wie Tango und Fußball. Der Oktober bringt in diesem Jahr Argentinien auf ganzer Linie nach Deutschland. Auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert sich das Land mit seiner großen literarischen Tradition und seiner faszinierend lebendigen Kulturszene als Ehrengast – der argentinische Oscar-Preisträger „In ihren Augen“ folgt der Literatur am 28. Oktober als Highlight auf die deutschen Kinoleinwände!
Literaturland Argentinien
Der Ruhm der argentinischen Literatur wurde maßgeblich durch zwei große Erzähler des 20. Jahrhunderts geprägt. Jorge Luis Borges und Julio Cortázar sind die mit Abstand bekanntesten Autoren des Landes. Ihr Schreiben hatte Einfluss auf die gesamte südamerikanische Literatur, ihre Werke sind zu Klassikern geworden und gehören mittlerweile fest zum Kanon der Weltliteratur. So legte Borges mit seiner „Universalgeschichte der Niedertracht“ bereits 1935 den Grundstein für die bedeutendste Strömung der lateinamerikanischen Literatur: den Magischen Realismus – eine Verschmelzung von Realem und Phantastischem zu einem gleichberechtigten Ganzen, in dem sich die unterschiedlichen Mythen und Geschichten der vielen verschiedenen Einwanderer mit denen der indigenen Bevölkerung Südamerikas verbanden. Der Magische Realismus sollte in der Folge große Auswirkungen auf die Literatur und den Film des ganzen Kontinents haben. Mehr noch, auf der ganzen Welt beeinflusste Borges‘ Werk andere große Erzähler. So inspirierte seine Erzählung „Die Bibliothek von Babel“ etwa Umberto Eco unmittelbar für seine Welterfolge „Im Namen der Rose“ und „Das Foucaultsche Pendel“.
Julio Cortázar gilt ebenfalls als einer der bedeutendsten spanischsprachigen Romanciers des 20. Jahrhunderts, und auch seine Kurzgeschichten sind von herausragender Klasse. Als einer der bedeutendsten spanischsprachigen Romanciers des 20. Jahrhunderts gilt auch Julio Cortázar. Sein meisterhafter Roman „Rayuela. Himmel und Hölle“, der in Joyce’scher Manier geschrieben und in dem die typischen surrealistischen Elemente Cortázars auf brillanteste Art und Weise verarbeitet sind, löste einen regelrechten Boom lateinamerikanischer Literatur in den 1960er Jahren aus. Die führenden lateinamerikanischen Romanciers Gabriel Garcia Márquez und Mario Vargas Llosa verehren Cortázar für dieses Buch noch heute.
Filmland Argentinien
Wie viele andere Länder weltweit war auch Argentinien zum Ende des 19. Jahrhunderts äußerst frankophil eingestellt. Die französische Kultur, die von Paris in die Welt ausstrahlte, wurde begierig aufgesaugt und nachgelebt. Die bahnbrechende Erfindung der Gebrüder Lumière schwappte schon 1896 ans Ufer des Rio de la Plata, der französische Film begeisterte das Publikum in Buenos Aires und innerhalb kürzester Zeit entstanden die ersten argentinischen Stummfilm-Produktionen. Schon 1901 eröffneten die ersten Kinos und Argentinien entwickelte sich rasch zu einem florierenden Filmland. Mit der Erfindung des Tonfilms erreichte das Kino um 1930 ein unwahrscheinliches Hoch. Der Tangosänger und Komponist Carlos Gardel war der größte Star dieser Zeit. Sein Ruhm reichte weit über die Grenzen seines Landes hinaus – so war er eine gefeierte Star Berühmtheit in ganz Südamerika, begeisterte auf seinen Europatourneen aber auch das Publikum in Spanien und Frankreich. Mit seinen Filmen kehrte die Welle, welche die Lumières um die Welt geschickt hatte, mit einem typisch argentinischen Beitrag nach Paris zurück. Gardel war der erste argentinische Weltstar, seine Aufnahmen sind noch heute unnachahmlich – auf dem Olymp des Tangos teilt er sich die oberste Stufe mit Astor Piazzolla.
Doch weder Leichtigkeit noch Sozialkritik konnten im argentinischen Film von Dauer sein. Die Blütezeit endete in den frühen 1950er Jahren, denn von den Wirren der argentinischen Geschichte des 20. Jahrhunderts blieb auch das Kino nicht verschont. Der Peronismus und in noch höherem Maße die Diktatur zwangen viele Filmschaffende ins Exil. Unter ihnen auch Pino Solanas, der wohl bekannteste Regisseur und Drehbuchautor Argentiniens. Der Filmemacher, der auf der Berlinale 2004 den Goldenen Bären für sein Lebenswerk verliehen bekam, richtet sich seit Ende der 1960er Jahre mit seinem filmischen Schaffen gegen den Neokolonialismus und Neoliberalismus seines Landes und die vorherrschenden politischen Missstände in ganz Lateinamerika und ist mittlerweile auch als engagierter Politiker aktiv.
Der Erfolg des argentinischen Films wurde am 7. März 2010 allerdings noch einmal völlig neu definiert. Am Abend dieses Tages wurde im Kodak Theatre in Los Angeles Juan José Campanellas Meisterwerk „In ihren Augen“ mit dem begehrten Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film ausgezeichnet. Eine Sensation und ein verdienter Erfolg, denn Campanella lieferte ein wahres Meisterwerk argentinischer Filmkunst ab, das sich offen in eine düstere und grausame Kriminalgeschichte aus Argentiniens dunkler Zeit der 1970er Jahre vertieft. Die Fäden der fesselnden Story reichen bis ins Heute. Eine große Geschichte aus einem Land, über das es noch viel zu erfahren gibt. Eine Geschichte, die von der Macht der Liebe, der Ohnmacht einer Nation und der Unvorhersehbarkeit des Lebens erzählt und die ab dem 28. Oktober in den deutschen Kinos für Herzklopfen, spannende Momente und unerwartete Wendungen sorgen wird.
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