Es ist Regenzeit. Seit Wochen und Monaten regnet es jeden Tag. Der Morgen ist schön und sonnig, vereinzelte Helikopter sind immer in der Luft aber können auch nicht viel ausrichten, am Fernsehen sieht man Motorpumpen, die das Wasser aus den Zelten auspumpen, nachmittags und manchmal schon am Morgen nimmt die Bewölkung zu, und dann setzt der Regen ein. Die Straßen aus den Bergen werden innert Minuten zu reißenden Flüssen, die Fußgänger und manchmal auch eine Leiche mitschwemmen. Menschen, die nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnten. Auch Autos können die Steigungen nicht mehr bewältigen, rutschen ineinander und blockieren die Straßen, werden in Querlagen oder bergab getrieben.
An den Bergflanken gibt es Erdrutsche, in den Niederungen Überschwemmungen, die Menschen werden durch beides bedroht, der Verkehr behindert oder blockiert. Die Wegfahrt von der Stadt aufs Land ist nur in den frühen Morgenstunden möglich, wenn überhaupt – man bleibt zuhause wenn man kann. Denn eine Rückkehr ist immer ungewiss. Vor zwei Tagen mussten wir nach Truitier fahren, keine 20 km von hier. Das wurde zu einer Tagesreise. 5-6 Std. hin, gleich lang zurück, Verkehrsstaus wegen Wasser, Zusammenzwängen von Verkehrsbahnen und Pannenfahrzeugen.
Starke Regenfälle in Haiti, dem direkten Nachbarn der Dominikanische Republik, lösten Erdrutsche aus, die mehrere Menschen verschütteten. In der Hauptstadt Port-au-Prince ertranken mindestens zehn Menschen in den Fluten überlaufender Flüsse. In Carrefour berichten sie von 8 Toten und 3 Verschwundenen. Über 1 Million Flüchtlinge leben unter erbärmlichsten Umständen praktisch im Freien, unter Fetzen von fortgerissenen Zelten – es sind häufig die Menschen, die nach ihrer Flucht zu Verwandten und Freunden auf dem Land wieder zurückgekehrt sind in die Nähe ihrer ursprünglichen Wohnungen, aber da besteht nichts mehr, und die Schuttmassen sind noch nicht abgeräumt.
Diese meteorologischen und morphologischen Verhältnisse sind in dieser Jahreszeit fast normal. Was zu ständigen Katastrophen führt, ist die hoffnungslose Situation der Millionen von Obdachlosen, die über keinen oder nur über einen notdürftigen Schutz verfügen. Die meisten Zelte sind zerfetzt oder wurden fortgetragen, zahllose Menschen schlafen wirklich im Regen und arbeiten nur daran, den gröbsten Schlamm von den Schlafflächen wegzubringen. Die Zeit für die Hilfsorganisationen ist um, die meisten sind ausgezogen und überlassen die Menschen ihrem höllischen Schicksal. Es ist unvorstellbar, was die zu leiden haben. Erst das Ende der Regenzeit wird eine Besserung bringen. Bis dann aber müssen noch viele Menschen sterben.
Das einfache Haus meiner Gastgeber in einheimischer Manier steht auf einer Erosionskrete der Montagnes Noires, der Südkordillere über der Hauptstadt. An den Abhängen der Nordkordillere sieht man abends und nachts dank Elektrifizierung, wenigstens etwas was einigermaßen funktioniert, die Lichter einiger neuer Städte. Deren Siedler haben gut daran getan, an die Bergflanken auszuweichen, dort sind sie wenigstens vor stehendem Wasser sicher. Ich hoffe, sie haben bei der Wahl ihrer Siedlungsplätze auch an die Möglichkeit von Erdrutschen gedacht und diese Gefährdung vermieden.
Im ganzen Schlamassel spricht man von Schulen, die auch laufen sollten aber nicht bestehen, man spricht von Sicherheit – gestern fand im Hauptgefängnis eine Riesen-Meuterei statt, die viele Tote erzeugte, auf beiden Seiten – auch wieder einem erneuten Ausbruch gefährlichster Schwerverbrecher, mit allen Folgen die noch zu befürchten sind. Und man spricht von Politik, denn wir stehen mitten im Wahlkampf, und von einer Regierung – die es ja noch gar nicht gibt – erwartet man Wunder. Die gar nicht möglich sind, aber man kann dann wieder bestimmten Verantwortlichen die Schuld zuweisen und demonstrieren. Das wird auch wieder neue Probleme geben.
Es ist paradox, dass mitten in dieser hoffnungslosen Situation, die vorauszusehen war, ein Wahlkampf stattfindet, Am 27.November soll wieder eine Regierung gewählt werden, ein Präsident, und zwei Häuser mit Parlamentariern. Ich glaube, dass man die ganze Energie anders verwenden sollte, da sind die Gremien der UNO gefordert, da wird jede Regierung macht- und hilflos sein – besonders da sie in 5 Jahren ja schon wieder ersetzt werden muss, nach Verfassung, und das Wegräumen der Trümmer ja 15 Jahre dauern soll, mindestens… Was könnte da in 5 Jahren selbst die kompetenteste Regierung ausrichten?
Ehrlich gesagt : entsetzliche Geschichten welche von dort kommen , und es reisst nicht ab . auch wenn man bereist wusste das es Saisonbedingt dazu kommen würde.
Allerdings sollte nun etwas geschehen ! Die Leute sollten sich mal darauf besinnen auch selbs etwas zur Verbesserung ihrer Lage beizutragen ,Nach sovielen Monaten sollte ja nun eigentlich klar sein das keine Hilfe in Aussicht steht , das warten ist also sinnlos. Ich nehme an das das auch die Hilfsorganisationen erkannt haben und sich nun zurück gezogen haben. Es sollten Arbeitsgruppen organisiert werden welche im Kollektiv zuerst die Aufráumarbeiten und dann den Wiederaufbau in Angriff nehmen , allerdings muss ich bedauern das nach meinen Beobachtungen es vorgezogen wird über Politiker ,Wetter und Elend zumeckern , wie übrall.
Es ist genauso, wie Du schreibst. Die meisten NGO’s haben sich zurückgezogen, die Menschen organisieren sich seit Wochen selbst, Arbeitsgruppen haben die Geschicke in die Hand genommen und wirken allenthalben. Die neusten teils tödlichen Unfälle sind auf schlechte Bauweise noch stehen gebliebener Häuser zurückzuführen, die von Erdrutschen mitgerissen wurden. In Martissant hat ein solcher 10 Menschen umgebracht und zahlreiche verletzt.