Die Cholera-Annahmestelle in Tabarre, einem Außenquartier von Port-au-Prince. Überall wurden sie eingerichtet, die Behandlungszentren und Absonderungshäuser. Mit einem Spital nach unseren Begriffen haben sie nichts zu tun. „Unser Alltag ist schlimmer als ein Hurrikan“, sagt Maryolène, eine 33jährige Verkäuferin, die jetzt in das sogenannte „Absonderungshaus“ von Tabarre eingewiesen wurde, wo sie einer ungewissen Zukunft entgegen hungert. Die Arbeit hat sie natürlich verloren.
Über 600 Cholera-Tote und 8000 Kranke im Spital, meldete gestern der Nouvelliste, und die Panamerikanische Gesundheitsorganisation OPS spricht schon von 650 Todesopfern und 9.000 Patienten in den Spitälern. Und täglich werden es mehr. Aber wer interessiert sich denn schon noch um das Schicksal dieser Untermenschen.
Diesmal sind es nicht die Soldaten der Franzosen, sondern die Cholera-Bakterien der Blauhelme (was übrigens noch nicht ganz bewiesen ist), die am Erobern der Prinzenstadt sind. Natürlich ist zuerst wieder Cité Soleil an der Reihe, das darf ja kein Zufall sein.
Die OPS warnt, die Cholera werde sich hier rasch ausbreiten, denn die Verhältnisse seien für die Krankheitskeime besonders günstig. In den Lagern mit Zehntausenden von Flüchtlingen und unvorstellbaren sanitären Verhältnissen sind schon 73 Ansteckungsfälle gemeldet worden. Nach unserer Korrespondentin in Port-au-Prince, Amélie Baron, seien schon früher vereinzelte Krankheitsfälle aufgetreten, aber es hätte sich um Personen gehandelt, die sich in die Gegend des verseuchten Flusses begeben hätten und von dort zurückgekehrt seien.
Montag musste ein dreijähriges Kind aus Cité Soleil in Behandlung genommen werden, obschon es das Quartier nie verlassen hatte. In der gleichen Bidonville, die rund 800’000 Einwohner zählt, gab es schon das erste Cholera-Todesopfer, und etwa hundert Personen leiden an Durchfall und wurden ins Spital gebracht. Die hygienischen Verhältnisse in Cité Soleil sind derart katastrophal, dass sich die Cholera rasend schnell ausbreiten und langfristig festsetzen kann.
Im Umfeld der Metropole lebt die Hälfte der Einwohner seit zehn Monaten in behelfsmäßigen Lagern. Die Gesundheitsbehörden und die ONGs mobilisieren sich zwar, aber sie beklagen dass die Situation die Möglichkeiten des Gesundheitsministeriums übersteigt. Man spricht bereits von einem nationalen Notstandsproblem. Sämtliche staatlichen Stellen müssen nun handeln. Angst und Sorge machen sich nicht nur im Land breit, sondern auch in der Weltöffentlichkeit. Die OPS ist am 9.November in Washington zusammengetreten, um über dringliche Maßnahmen zu beschließen.
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