Nicaraguas Staatspräsident Daniel Ortega hat der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) offen den Austritt angedroht und weitere Provokationen an verschiedene Staaten der Region gerichtet. Das Staatsoberhaupt des zentralamerikanischen Landes reagierte damit auf eine am Samstag verabschiedete Resolution des Staatenbündnisses, welche den sofortigen und vollständigen Truppenabzug im Grenzgebiet zwischen Nicaragua und Costa Rica fordert und Treffen für weitere Vermittlungsgespräche vorsieht.
Costa Rica hatte im schwelenden Grenzstreit zwischen beiden Ländern die OAS angerufen, nachdem nicaraguanische Militäreinheiten eine Flussinsel im Delta des Rio San Juan an der Atlantikküste besetzt hatten. Während Costa Rica die eigene nationale Souveränität verletzt sieht und von einer „Invasion“ spricht, betont der nördliche Nachbar weiterhin, sich auf eigenem Territorium zu befinden. Der OAS-Generalsekretär war in der vergangenen Woche in die Region gereist und hatte bis zuletzt versucht, zwischen den zerstrittenen Parteien zu vermitteln.
In der nun verabschiedeten Resolution werden beide Länder aufgefordert, neben den Abzug der Sicherheitskräfte den Disput durch bilaterale Verhandlungen beizulegen. Ein erstes Treffen wird bereits für den 27. November im Rahmen des Südamerika-Gipfels gefordert. 22 der 27 anwesenden Vertreter stimmten laut einer offiziellen Stellungnahme der OAS für den Antrag, zwei Länder stimmten dagegen, drei enthielten sich. Während die costaricanische Präsidentin die Entscheidung begrüßte und als „Triumph“ bezeichnete, lehnt Nicaragua die Resolution ab. „Diese Entscheidung hat keinerlei Gültigkeit und keinerlei Auswirkungen, da die OAS damit ihre Kompetenzen überschritten hat“ so der Vertreter Nicaraguas bei der OAS, Denis Moncada.
Staatspräsident Daniel Ortega erklärte zudem, dass Costa Rica die Regeln der OAS verletzt habe, in dem das Land sich mit anderen Staaten der Region „verschworen“ habe. Die OAS habe durch den Beschluss „das letzte bisschen Glaubwürdigkeit verloren“. Auch sei der Beschluss nicht rechtskräftig, da er mit Zwei-Drittel-Mehrheit und damit von 22 der 35 Staaten hätte angenommen werden müsse. Seiner Aussage nach hätten jedoch nur 21 für den Beschluss gestimmt.
Die Regierung in Managua hat daher auch am Sonntag erneut den geforderten Truppenabzug abgelehnt. Die Stationierung der Militäreinheiten auf der Flussinsel diene dem Kampf gegen den Drogenhandel und werde fortbestehen, verteidigte Ortega seinen Entschluss. Die Resolution sei vor allem von Kolumbien vorangetrieben worden, die ihre „Expansionspolitik im karibischen Meer“ fortführen wollten. Zwischen beiden Ländern herrscht ebenfalls ein Streit um kleinere Inseln und die Nutzung von Seegewässern vor der Küste Mittelamerikas.
„Von einem Truppenabzug im Bereich des Rio San Juan im Grenzgebiet profitiert ausschliesslich der Drogenschmuggel, der von Kolumbien, Guatemala, Costa Rica und Mexiko geschützt wird“ setzte Ortega später in einem Interview nach. Diese Äußerungen wurden in Mexiko-City umgehend auf das Schärfste kritisiert. „Wir weisen die Behauptungen als unbegründet und ungerechtfertigt zurück. Die mexikanische Regierung hat bereits zwei diplomatische Protestnoten an die nicaraguanischen Behörden übermittelt“ so eine Stellungnahme des Außenministeriums. Mexiko sei mit den beiden „befreundeten Regierungen“ seit Beginn des Konflikts in Kontakt und wiederhole seine Bereitschaft, als Gastgeber für Vermittlungsgespräche zu fungieren.
In Lateinamerika werden aufgrund der zunehmenden Heftigkeit der Äußerungen Ortegas immer mehr Fragen nach denen tatsächlichen Motiven laut. Anfänglich hatte Nicaragua mit dem Ausbaggern des Flusses San Juan begonnen, um diesen für grössere Kreuzfahrtschiffe befahrbar zu machen. Costa Rica hatte dabei zunächst lediglich auf Umweltzerstörungen aufmerksam gemacht. Nicaragua hat die vollständige Hoheit über das Gewässer, die Landesgrenze verläuft nach internationaler Auffassung am Flussufer.
Eine israelische Zeitung hat nun eine weiteres Szenario entworfen, welches in Mittel- und Südamerika auch bei seriösen Medien immer mehr Beachtung findet. Demnach plane Ortega die Realisierung des bereits seit Jahrzehnten geplanten Nicaragua-Kanals als weiterer Schifffahrtsweg zwischen dem Atlantik und dem Pazifik. Das Projekt werde zudem von Venezuelas Staatschef Hugo Chávez und dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad unterstützt und mitfinanziert.
Quellen in Lateinamerika gehen daher davon aus, dass das jüngste „Säbelrasseln“ dazu benutzt werden könnte, von dem eigentlichen Projekt abzulenken. Bezeichnend sei auch, dass sich Chávez selbst entgegen seiner Reaktionen in der Vergangenheit faktisch gar nicht zu dem Grenzstreit geäußert habe.
Leider kein Kommentar vorhanden!