Die Verschwörung gegen die Weltarmee geht unvermindert weiter. Marschieren wir hocherhobenen Hauptes gegen unser Schicksal, verjagen wir die, welche nur Clérin (Zuckerschnaps) saufen von unserer Erde! So tönt es lauthals aus den Trümmern. Eéééàéàïéééàéàï, die Cholera hat schon mehr als 1.100 Menschen getötet, und tausende warten in den Spitälern auf das was folgt, und die wütenden Insulaner glauben, die UNO-Soldaten aus Nepal seien die Mörder. „Minustah, verschwinde“ oder „Minustah = Cholera“ lauten die Schreichöre im Trümmerzentrum der Prinzenstadt.
Nach den leidenschaftlichen Ausschreitungen der letzten Tage im Norden des Landes sind sie nun auch im Zentrum ausgebrochen, und im Ausland und Internet hört man nicht mehr dieselben Nachrichten wie im Lande selbst. Alles wird getan, um die explosive Stimmung nicht noch mehr aufzuheizen, Nachrichten über Minustah, Soldaten und Sicherheitsrat werden verschwiegen, und der Himmel bleibt fast ohne das sonst übliche Hubschraubergeknatter.
Einige Tage vor der Wahl eines neuen Staatspräsidenten ist das Land die Beute einer Choleraseuche, der wütende Mob verlangt den Abzug der Schutztruppe und die Abdankung des Präsidenten. Gestern Donnerstag 18. sollen dem Aufruf „nur“ hunderte von Manifestanten Folge geleistet haben, vielleicht wegen Einschüchterung durch die aufgestockten Blauhelme, vielleicht aus berechtigter Angst vor Ansteckung, aber deren Forderung war unmissverständlich und klar: sofortiger Abzug aller fremden Streitkräfte.
Die Bevölkerung beschuldigt die Blauhelme aus Nepal, die tödliche Seuche ins Land eingeschleppt zu haben. Um den Champ-de-Mars, den größten Platz in der Hauptstadt, haben Demonstranten mit Abfallcontainern und angezündeten Reifen den Verkehr blockiert, die Nationalpolizei PNH war angerückt und wurde mit Steinen angegriffen. Sie hat mit einem Hagel von Tränengasgranaten geantwortet was augenblicklich Tonart und Lautstärke hochtrieb, besonders da auf dem Platz immer noch tausende von obdachlosen Familien in Zelten vegetieren, die ebenfalls durch die Giftgaswolken betroffen wurden.
Schließlich haben die Streitkräfte ihre Lastwagen bestiegen und den Platz verlassen, einerseits um Blutvergießen zu verhindern, anderseits um den Manifestanten zu erlauben, ihre Begräbniszeremonie für die MINUSTAH weiterzuführen, aber zugleich Beerdigung von Jude Célestin, dem von seinem Götti (sd=Pate) Préval vorgesehenen Präsidentschaftskandidaten. In den Nebenstrassen flammen und rauchen noch sporadische Scharmützel, aber im Großen und Ganzen scheint die Situation wieder „im Griff“.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte die nationalen Probleme nicht klein reden, aber von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ und „städtischer Guerilla“ zu reden ist Mache.
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