Astrid Pape ist ein Hingucker. Ihre langen, strohblonden Haare, ziehen ohne weiteres die Blicke vieler erstaunter Ecuadorianer an. Auf der Bühne ist die Mannheimerin noch dazu ein absoluter Hinhörer, so wie sie mit ihrem Saxofon das südamerikanische Publikum in Bann zieht. Neben ihr wirkt der Musiker Mathias Espinosa fast unauffällig, ist aber nicht weniger präsent. Der 47jährige Deutsch-Ecuadorianer lebt schon seit 1988 auf den Galapagos-Inseln und spielt auf den Konzerten gefühlvoll seine Gitarre am liebsten im Sitzen. Die beiden Deutschen sind Kern und musikalischer Motor des Musikprojekts „Sonidos del Sumaco“ (Klänge des Sumaco), das 2009 auf Initiative der jetzigen Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), ins Leben gerufen wurde.
Die Band besteht aus ecuadorianischen, chilenischen, kubanischen und deutschen Profimusikern. Ihr Ziel ist es, ihre Zuhörer und insbesondere die Einwohner des Biosphärenreservates Sumaco auf bestimmte Themen, wie Umweltschutz, Wasserknappheit, nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen aufmerksam zu machenund zu sensibilisieren.
Christian Fedlmeier (GIZ-Programmleiter), der an der Entwicklung der Projektidee beteiligt gewesen ist, sagt: „Wir haben gemerkt, daß wir durch unsere traditionellen Umweltbildungs-Methoden nicht die breite Masse der Sumaco Bewohner erreichen können. Dieses Musikprojekt könnte es schaffen, den Umweltgedanken schwungvoll zu Jung und Alt bis in den hintersten Winkel des Sumacogebiets zu transportieren. Gleichzeitig wollen wir erreichen, daß sich die lokale Bevölkerung mehr mit der enormen Vielfalt der sie umgebenden Natur verbunden fühlt.“
In den Texten werden überregionale Themen angesprochen, aber auch Probleme, die ganz speziell die Menschen vor Ort betreffen und bewegen. In dem Lied „Agua agüita“ („Vom Regentropfen zum Fluss“) zum Beispiel, geht es um Wasser und die Entstehung eines Flusses, Mathias Espinosa erklärt hierzu: „Vielen Ureinwohnern ist nicht bewußt, wie sensibel ein Fluss auf die kleinsten Veränderungen in der Umwelt reagieren kann. Das Lied handelt von den vielen Prozessen die nötig sind, damit ein Fluss von der oberen Bergregion bis hin in den Regenwald sauber und für alle lebenspendend bleibt.“
In einem anderen Lied drückt der Chor des Nationalparkes Sumaco seinen Stolz auf die tägliche Arbeit aus und verdeutlicht, daß dies eine ganz besondere, international anerkannte Region ist, in der seltene Baumarten wachsen und einzigartige Tiere leben, die ernsthaft bedroht sind. „Jedesmal, wenn wir uns alle treffen“, sagt Aníbal Gómez, der Parkwächter ist und das Lied auf der Bühne präsentiert, „legen wir die CD ein und singen unser Lied.“
Ramiro Aguinda gehört auch zur Band. Er ist Kichwa aus Tena , der Provinzhauptstadt von Napo im Biosphärenreservat Sumaco und er singt gemeinsam mit seiner Schwester Clemencia in dem Lied „Los Kichwas del Napo“ über ihre Kultur, darüber wie sie feiern, was sie gerne essen und welche Heilpflanzen ihnen helfen. „Der Text im Lied ist für uns ganz wichtig, da wir unsere Identität damit transportieren. Ich wäre froh, wenn wir mehr Kichwa-Musiker hätten, die auch in Kichwa singen, weil die Leute hier das eher verstehen als spanisch.“
Die Kichwa selber sind keine homogene Gruppe, sondern sind im Laufe der Jahrhunderte aus verschiedenen ethnischen Gruppen entstanden. Deshalb ist auch ihre Musikkultur sehr divers. Auch die Zugezogenen, die sich erst im Laufe der letzten Jahrzehnte im Sumaco heimisch gemacht haben, bringen ihre musikalischen Einflüsse mit, die man aus Radio oder Fernsehen kennt. Beiden Bevölkerungsgruppen ist gemeinsam, daß sie den „Cumbia“ lieben, ein Musikstil, der dem Salsa sehr ähnlich ist. „Musikalisch sprechen wir im großen und ganzen drei Zielgruppen an,“ sagt Mathias Espinosa. „Die Kichwa, die den Großteil der Bevölkerung ausmachen sowie die neueren Bewohner und Touristen.“
Samstag Nacht in Tena: Wie immer ist es auch abends noch heiß und mindestens die Hälfte der rund 22000 Einwohner ist auf den Beinen. Heute Abend ist Abschlussfest einer nationalen Kakaomesse direkt auf dem großen Hauptplatz. Auf der Bühne spielt „Sonidos del Sumaco“, auf den Rängen sitzen junge Kichwa-Familien mit ihren Freunden, Zugezogene, jung und alt. Die Stimmung könnte nicht besser sein. Überall auf den Sitzplätzen und vorne vor der Bühne wird mitgewippt und teilweise auch schon mitgesungen.
Kein Wunder, denn die Lieder werden im Radio gespielt, in den Bussen, die von Tena in die Hauptstadt Quito fahren und auch auf den Musikanlagen zu Hause. Die CD „Sonidos del Sumaco“ ist Ende 2009 erschienen. Darauf zu hören sind 13 Lieder, die sich um das Leben, die Kultur und die Gedanken der Menschen im östlichen Ecuador drehen. Die Begleitbroschüre wurde in Spanisch und Kichwa verfasst, da es immer noch viele Einwohner gibt, die nur eine der Sprachen beherrschen. Und es gibt sogar eine deutsche und englische Textversion für die Touristen, die vielleicht noch nichts vom Biosphärenreservat Sumaco gehört haben .
Die Aufnahmen, die Produktion, aber auch die Konzerte sind vom ecuadorianischem Umweltministerium (MAE), der Deutschen Botschaft Quito und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die im Auftrag des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das nachhaltige Management des Reservats fördert, unterstützt worden. Im Laufe des Jahres 2011 ist eine landesweite Tour geplant und die Musiker wollen auch schon eine zweite CD einspielen.
Oliver Hölcke
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