Unser Grundstück befand sich im Norden der Insel. Der Süden war etwas geprägt vom Tourismus. Dort befanden sich der Flughafen und die Hauptstadt Scarborough. In der weiteren Flughafenumgebung gab es auch Ferienclubs, Hotels und Bars. Im Norden jedoch, wo wir wohnten, fand man höchstens ein paar einfache Gästehäuser. Dafür waren wir jedoch umgeben von der Natur, hörten das Meer rauschen und am Abend erhielten wir ein kostenloses Kröten- und Grillenkonzert.
Unsere Nachbarn waren überwiegend einfachen Menschen. Die meisten hatten keine Berufsausbildung, manche nicht einmal eine abgeschlossenen Schulausbildung. Doch arbeitslos musste auf Tobago deshalb keiner sein. Der Staat gab jedem die Möglichkeit zu arbeiten. Die Menschen wurden zwei Stunden am Tag beschäftigt und verdienten gerade so viel, dass sie damit ein einfaches Leben führen konnten. Diese Arbeiter sorgten zum Beispiel dafür, dass die Parks immer ordentlich waren, und die Straßen, die durch den Busch führten, nicht überwuchert wurden. Unsere Nachbarschaft setzte sich überwiegend aus diesen Gouvernement Arbeitern zusammen. Sie mussten zwar nicht Hunger leiden, aber arm waren sie allemal. Natürlich stuften sie uns deshalb als reich und wohlhabend ein. Dies sollte auch in der Zukunft immer wieder zum Problem werden zwischen den Nachbarn und uns.
Zu dieser Zeit war das Verhältnis jedoch noch freundlich. Aus allen Häusern war in der Adventszeit Weihnachtsmusik zu hören. Allerdings bevorzugten die Insulaner ganz andere Weihnachtslieder, als wir sie gewohnt waren. Es waren nicht besinnliche, leise Lieder, sondern sehr fröhliche, rhythmische Musik, die sie dann so laut zu hören pflegten, dass auch der Nachbar noch etwas davon hatte. Und diese Musik erschallte aus jedem Haus. Auch bemerkte man überall geschäftiges Treiben. So etwas wie allgemeine Aufregung lag in der Luft. Für das Weihnachtsfest wollte jeder sein Haus in Ordnung bringen, deshalb wurde geputzt, angemalt und geschmückt. Aber auch der Weihnachtsschmuck unterschied sich total von dem unsrigen. Sie malten ihre Steine im Garten weiß an und schmückten alles sehr bunt und für unsere Begriffe äußerst kitschig. Jeder rief uns etwas Freundliches zu, wie: „Merry Christmas, Nice Days, Have care my Dear“ und ähnliches. Mir waren sie allesamt vorgekommen wie große Kinder, die sich aufs Christkind freuten.
Eines Morgens, sehr früh bei Sonnenaufgang, wurde ich aufgeweckt durch lautes Hämmern. Als ich verwundert nach draußen spähte, erblickte ich zwei unserer direkten Nachbarn, die dabei waren, Pfosten für unseren Zaun in den Boden zu rammen. Sie schufteten so, dass ihre nackten Rücken schweißnass glänzten. Als sie meinen fragenden Blick bemerkten, riefen sie mir zu, bald sei Weihnachten, unsere Pferde würden eintreffen, und der Zaun zu unserem Garten sei noch nicht fertig. Dies sei ihr Weihnachtsgeschenk für uns. Sie wussten wohl, dass im Moment alle Arbeit an mir hing, da mein Mann sich noch sehr schonen musste. Ich war so gerührt, dass ich meine Tränen beinahe nicht zurückhalten konnte. Nach der ganzen harten Arbeit der letzten Tage und der Rückschläge, die ich bereits zu verkraften hatte, war dies wie Balsam und so ein ganz klein wenig neues Heimatgefühl stellte sich bei mir ein.
Am Abend nach getaner Arbeit luden wir diese Nachbarn auf ein Bier ein. Natürlich brachte jeder von ihnen seine ganze Familie mit. Wir saßen mit ihnen auf unserer Terrasse und plauderten ein wenig. Dies war eine Geste, worüber sie sich sehr freuten, denn Bier oder Cola für die Kinder konnten sich die meisten nur bei ganz besonderen Anlässen leisten, ansonsten wurde Wasser aus der Leitung getrunken.
Leider kein Kommentar vorhanden!