Am Weihnachtstag morgens ging ich zusammen mit meiner Tochter zum Strand, um ein wenig zu schwimmen. Es war eine ganz seltsame Stimmung, die so gar nichts mit Weihnachten, wie wir es kannten zu tun hatte. Keine Weihnachtsbäume, Schnee und Kälte sondern Palmen und warme Badetemperaturen. Aber es war schön, anders schön. Nach unserem Bad setzten wir uns noch ein paar Minuten auf eine Bank, um den Blick auf den Atlantik zu genießen. Dies störte offensichtlich eine Frau, die dort in der Nähe ihre Hütte hatte. Sie kam aufgebracht mit wüsten Beschimpfungen auf uns zu gerannt. Unsere sonderbar friedliche Weihnachtsstimmung war schlagartig verflogen, als sie uns mit den Worten „fuck you, german girls“ verjagen wollte. Um sie nicht noch mehr zu erregen rief meine Tochter ihr nur zu „okay, and merry Christmas“. Wir mussten feststellen, auch hier gab es an Weihnachten nicht nur friedliche Menschen.
Dann war der Weihnachtsabend da. Wir verbrachten ihn zusammen mit unserer Tochter und deren Freundin. Ich hatte ein typisch deutsches Essen zubereitet, das mein Mann so lange hatte entbehren müssen. Es war ein seltsames Gefühl, am Weihnachtsabend in kurzer Sommerkleidung auf der Terrasse zu sitzen. Sehr angenehm, aber irgendwie nicht weihnachtlich. Später am Abend waren wir bei Nachbarn eingeladen. Dort hatten sich bereits mehrere Leute eingefunden die schon alle in ausgelassener Partystimmung waren. Es wurde laute Musik gespielt und viel Rum getrunken. Die Hausherrin bat uns in ihre Küche, die sich im Keller befand und nur aus ein paar alten Holzregalen und einem Herd bestand.
Auf dem Herd stand ein großer Topf, aus dem es köstlich nach Braten duftete. Auf unsere Frage erklärte sie uns, dass sich in dem Topf ein Iguana befände. Diese Tiere gehören zu den Echsenarten, die unter Naturschutz stehen, sind grasgrün und haben auf Kopf und Rücken einen gezackten Kamm. Meine Tochter Michelle hob den Deckel hoch und ihre Freundin schöpfte mit einem großen Löffel ein Stück Fleisch heraus. Ausgerechnet den kompletten Kopf mit Augen, Maul und dem Kamm hatte sie erwischt, sogar die grüne Farbe der Haut konnte man noch erkennen. Damit war für uns das Mahl schon beendet. Die Nachbarin konnte dies absolut nicht verstehen, denn alles was satt machte, war für sie auch gut. Sie lachte sich über unsere entsetzten und angeekelten Gesichter halb tot. Lachen war sowieso eine Lieblingsbeschäftigung der Menschen dort. Sie lachten über alles und jeden, klatschten sich dabei vor lauter Vergnügen in die Hände und führten wahre Freudentänze auf. Die Geschichte, dass wir uns über den gekochten Iguana derart entsetzt hatten, wurde zum Abendgespräch. Jeder Neuankömmling bekam sie zu hören und es kam immer wieder dieselbe Freude auf. Wir waren die „crazy Germans“. Spät am Abend verabschiedeten wir uns, doch die Party war noch bis zum Morgengrauen zu hören. Dies war unser erstes Weihnachtsfest in der Karibik. Es kam uns eher vor wie eine ausgelassene Geburtstagsparty. Andere Länder, andere Sitten…….
Am ersten Weihnachtsfeiertag besuchten wir einen anderen Nachbarn, der uns zum Essen eingeladen hatte. Man reichte uns regelrecht herum, und es wäre unhöflich gewesen, nicht zu kommen. Dieser Mann bewohnte mit Frau und Kind eine kleine Holzhütte auf Stelzen, die etwa 2,50m x 3,00m groß war. Sie bestand aus einem Wohn/Schlafzimmer und einer Küche. Man kann sich vorstellen, wie wenig Platz darin war. In dem einzigen schmalen Bett schlief die Frau mit dem Kind, und er selbst machte es sich nachts auf dem Boden bequem. Auf jeden Fall hatte er sich mit dem Kochen viel Mühe gegeben. Jeder bekam einen Teller mit Essen in die Hand gedrückt und suchte sich damit irgendwo einen Platz. Die meisten saßen auf der steilen Haustreppe. Nach dem Essen kamen später noch ein paar Leute dazu, und bald war man wieder mal beim Rum angelangt. Unglaubliche Geschichten wurden nun erzählt.
Jemand hatte unweit unserer Häuser im Schilf angeblich einen großen Alligator gesichtet. Sofort wurden Pläne geschmiedet, wie man ihn gemeinsam fangen wollte. Sie wetzten praktisch in Gedanken schon ihre Macheten. Die Machete ist übrigens das wichtigste Utensil der Menschen auf Tobago. Damit machen sie geradezu alles. Bambus schlagen, Gras mähen, genauso wie Löcher graben oder Fleisch und Fisch zerteilen, letztlich dient sie sogar als Waffe, und überhaupt war es eine Prestigesache, eine Machete zu besitzen.
Ohne Machete war auf Tobago ein Mann eben kein Mann!
Herrlich diese Schreibweise, tolle Geschichten, werde ab sofort ein treuer Leser. Viele Grüße aus Peru.