Bundespräsident Christian Wulff ist am Donnerstag zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Brasilien eingetroffen. Die Föderative Republik mit rund 192 Millionen Einwohnern ist die letzte Station seiner Lateinamerika-Reise, die ihn zuvor nach Mexiko und Costa Rica geführt hatte. Begleitet wird der Bundespräsident von seiner Frau Bettina und einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation. Brasilien ist Deutschlands wichtigster Handelspartner in Lateinamerika.
In der Hauptstadt Brasília begrüßte Staatspräsidentin Dilma Rousseff den Bundespräsidenten mit militärischen Ehren. Danach kamen die beiden Staatsoberhäupter zu einem Gespräch zusammen. Bei dem anschließenden gemeinsamen Mittagessen hielt Bundespräsident Wulff eine kurze Ansprache. Vor dem abendlichen Weiterflug in das Wirtschafts- und Finanzzentrum São Paulo wird er noch den 224 Meter hohen Fernsehturm von Brasilia besuchen, um sich dort über die Stadtplanung zu informieren. Am Samstag ist der Weiterflug von São Paulo nach Rio de Janeiro geplant, bevor Bundespräsident Wulff am Sonntag in Berlin zurückerwartet wird.
Der Staatsbesuch in Brasilien ist die Erwiderung auf den Staatsbesuch von Präsident Lula da Silva im Jahr 2009. Mit Bundespräsident Wulff empfängt die neu gewählte Präsidentin Dilma Rousseff ihren zweiten Staatsbesuch seit ihrem Amtsantritt am 1. Januar 2011. Brasilien ist 2014 Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft und 2016 der Olympischen sowie der Paralympischen Spiele.
Rede von Bundespräsident Christian Wulff beim Staatsbankett:
Ich möchte Ihnen, Frau Präsidentin, auch im Namen meiner Frau und meiner gesamten Delegation für den herzlichen Empfang danken, den Sie uns bereitet haben.
Brasilien ist unser wichtigster und einziger strategischer Partner in Lateinamerika. Es war mir deshalb ein besonderes Anliegen, Ihr Land zum Ziel der ersten Lateinamerika-Reise meiner Amtszeit zu machen. Mir ging es auch darum, Sie, Frau Präsidentin, schon in den ersten Monaten Ihrer Amtszeit zu treffen.
Ich weiß, um mit den Worten des deutschsprachigen Schriftstellers Stefan Zweig zu sprechen, „dass ein ganzes Leben kaum ausreichte, um sagen zu dürfen: Ich kenne Brasilien“. Und doch wollte ich mir einen eigenen Eindruck verschaffen von Ihrem in jeder Hinsicht aufstrebenden Land.
Ich möchte Brasilien zu seiner beeindruckenden Entwicklung gratulieren. Ihr Land, Frau Präsidentin, hat sich mit seinem dynamischen Wirtschaftswachstum und der sozialen Entwicklung in den vergangenen Jahren Anerkennung und Respekt erarbeitet – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Es ist im Interesse unserer beiden Länder, die Potenziale für eine noch engere Zusammenarbeit in den verschiedenen Regionen Ihres Landes zu aktivieren.
Besonders eindrucksvoll hat sich unsere Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich entwickelt. Das gerade zu Ende gegangene deutsch-brasilianische Jahr der Wissenschaft, Technologie und Innovation hat unseren Wissenschaftsbeziehungen einen neuen Schub verliehen. In vielen Disziplinen ist Brasilien an die Weltspitze der Forschung vorgedrungen. Für uns ist Ihr Land auch deshalb ein interessanter Partner. Brasilien ist eines der wenigen Länder, in denen Deutschland künftig mit einem Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus präsent sein wird. Die Zusammenarbeit deutscher und brasilianischer Universitäten und Forschungsinstitute wird nicht nur zu neuen Projekten führen, sondern auch dazu beitragen, auf Zukunftsfragen wie den Klimawandel und die nachhaltige Entwicklung gemeinsame Antworten zu finden.
Bereits heute sind Deutschland und Brasilien enge Partner im Klimaschutz. Brasilien hat sich freiwillig zu ambitionierten Reduktionszielen beim Ausstoß von Treibhausgasen bekannt. Auch auf internationaler Ebene tritt es engagiert auf. Sichtbares Symbol hierfür ist die Ausrichtung der Rio+20-Konferenz im nächsten Jahr, für die ich Ihnen schon jetzt viel Erfolg wünsche.
Brasilien hat Stimme und Gewicht in der Welt. Die Stärke des Landes gründet dabei nicht nur auf seinem wachsenden wirtschaftlichen Gewicht und seiner erfolgreichen Außenpolitik. Sie ist auch das Ergebnis des erfolgreichen Verknüpfens von Demokratie und Marktwirtschaft. Die Erfolge bei der Armutsbekämpfung machen Brasilien für viele Länder des Südens zu einem Vorbild. Ich freue mich, dass Brasilien bereit ist, globale Verantwortung zu übernehmen und seinen Einfluss mit großer Um- und Rücksicht geltend macht.
Mehr als 350 Jahre ist es her, dass der deutsche Forschungsreisende Georg Markgraf 1647 die erste auf exakter Vermessung beruhende Karte Brasiliens erstellte. Heute zeichnen Brasilien und Deutschland gemeinsam an einer neuen Weltkarte – der Karte einer fairen Globalisierung mit Werten wie den universellen Menschenrechten und völkerrechtlich anerkannten Regeln. Sie, Frau Präsidentin, zeichnen sich dabei durch eine besondere persönliche Glaubwürdigkeit in Ihrem Einsatz für Recht und Gesetz aus. Es ist der Wunsch Deutschlands, gemeinsam mit Ihrem Land in den Vereinten Nationen mehr Verantwortung für Frieden und eine gerechte Entwicklung zu übernehmen.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Verbindungen zwischen Deutschland und Brasilien reichen mehrere Jahrhunderte zurück. Deutsche Einwanderer, vor allem im Süden Brasiliens, haben starke Beiträge zur Entwicklung des Landes geleistet. Sie und die in den letzten Jahrzehnten gewachsenen engen Beziehungen bilden das feste Fundament der Freundschaft unserer Nationen.
Im Jahr 2013 werden wir der Vielfalt unserer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen noch größere Sichtbarkeit verleihen: Im Rahmen eines Deutschlandjahres wollen wir Brasilien ein authentisches Bild seines strategischen Partners Deutschland vermitteln. Ich lade die Bürgerinnen und Bürger Ihres Landes ein, die Vorbereitungen aktiv zu begleiten. Wir freuen uns dann schon auf die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 in Ihrem wunderschönen Land.
Sie, Frau Präsidentin, unterstützen unser Vorhaben. Darüber bin ich besonders froh. Und ich freue mich auf ein buntes und vielseitiges Deutschlandjahr, das unsere Nationen noch enger verbinden wird.
Schon im Jahr 1941 beschrieb Stefan Zweig mit großer Weitsicht Brasilien als ein Land, „dessen Wichtigkeit für die kommenden Generationen auch mit den kühnsten Kombinationen nicht auszudenken ist“.
In diesem Sinne bitte ich Sie nun, mit mir Ihr Glas zu erheben und auf das Wohl von Staatspräsidentin Dilma Vana Rousseff zu trinken, auf die gute Zukunft Brasiliens und auf die hervorragenden Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern!
bundespraesident.de
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