Später, nachdem wir geduscht und uns umgezogen haben, sitzen wir unter einem Strohdach im Garten eines Lokals in Vedado. Über die Straße ist der Malecon. Es ist Flut und das Wasser rollt gegen die Felsen, gischt meterweit hoch und spritzt auf die Straße. Robert trägt figurbetonte schneeweiße Kleidung. Mädchen lächeln ihn an und flüstern, wenn sie vorbei gehen. Ich denke: Er könnte mein Sohn sein. Er ist in einem Alter, in dem er mein Sohn sein könnte. Aber was müsste ich für ein Vater sein, wenn mein Sohn derart professionell und doch naiv daran geht, seine Ziele im Leben zu verfolgen, was wäre ich für ein Vater, dessen Sohn nichts anderes als “weg” will? Ich wäre wie ein König, der seine Kinder dazu verdammt, in einem Schloss zu leben, in dem das Leben selbst ein flüchtiger Traum ist.
Obwohl ich Robert gerade erst einen Tag kenne, hat er es geschafft, dass mir meine Freiheit zu kommen und zu gehen ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen bereitet.
Er zieht die Blicke auf sich, sucht und findet stets den Mittelpunkt, macht sich interessant. Und da entdecke ich die merkwürdige Diskrepanz, die ihm zu Eigen ist: Sein Kraftaufwand und Wille, stets im Mittelpunkt des Interesses von Menschen zu stehen, die ihm möglicherweise behilflich sein können, steht im Widerspruch zu seiner natürlichen Begabung zu gefallen. Nimmt man ihm die Intensität seines “Wollens”, bleibt nur wenig über, was einem gefallen kann. Er ist schön – aber auf die gleiche Art und Weise wie Gemälde schön sind, Statuen, vielleicht sogar Ideen. Aber seine Schönheit beherbergt kein inneres Gleichgewicht, in ihm ist nichts, was seinem Äußeren entspricht, weder im Guten noch im Schlechten.
Er knabbert manchmal an seinen Fingernägel, tippt mit dem Fuß den Takt der Musik mit, lächelt schnell und oberflächlich. Nach dem Essen möchte er zurückfahren und sagt mit einem unschuldigen Lächeln, er bräuchte 30 CUC, weil der Nachtbus so viel kosten würde. Ich weiß, dass man mit dreißig CUC vom Flughafen Jose Marti nach Guantanamo fliegen kann und dass das Taxi von hier bis Tarara rund fünfzehn CUC kostet. Trotzdem gebe ich ihm das Geld und er verabschiedet sich mit der vagen Zusage, wir würden uns morgen wieder am Strand von Mi Cayito treffen.
Nachdem ich die Rechnung für das Essen bezahlt hatte und auf der Stadtseite der Maleconstraße zur Straße der Präsidenten ging, dachte ich, dass ich noch nie zuvor einen Menschen getroffen hatte, der wirklich alles hätte zu gefallen, aber durch sein geradezu biblisches Bemühen zu gefallen, alles ruinierte.
Was ist das denn für eine zweifelhafte „literarische Kostbarkeit“? Schwuler Sextourist sinniert über sein Techtelmechtel mit einem kleinen Stricher. Vor dem Duschen wird er sich wohl einen bl… lassen haben. Wofür sonst gabs denn die 30 CUC. Alles so offensichtlich. „mi cayito“ ist übrigens der einschlägig bekannte Standabschnitt für solche Typen.