Mittlerweile sind wir in Port-au-Prince gut heimisch geworden. Die Themen sind die selben wie überall auf der Welt. Fußball, Autos, Kochen, Einkaufen, natürlich im Normalfall nach Geschlechtern getrennt. Seit dem Erdbeben ist die Sicherheitslage in Haiti, insbesondere in Port-au-Prince, nicht besser geworden. Was man bei uns in Mitteleuropa als friedliebender Akademiker und Grünenwähler kaum kennt, ist die Gewohnheit, im Hause Bewaffnung bereitzuhalten, falls ein tätlicher Übergriff, möglicherweise von marodierenden Banden oder auch von einfachen Dieben droht. Zudem werden, man höre und staune, die Waffen auch regelmäßig genutzt. Als Newcomer in Prot-au-Prince sind wir natürlich besorgt durch die fast in jeder Nacht zu hörenden Schüsse in der Nachbarschaft. Unser Nachfragen beunruhigt unsere Gastgeber nicht im geringsten.
Man schießt auch gerne mal einfach so, in die Nacht hinein. Aus Sentimentalität. Um zu schauen, ob das Verteidigungsinstrument in diesem Augenblick funktioniert hätte. Kurzum, der Port-au-Prince’ianer an sich verbarrikadiert sich ab der Abenddämmerung, lädt kräftig durch und lässt den Finger bis zum kommenden Morgen am Abzug. Ich dagegen, der naive Deutsche mit pfälzischer Nonchalance, fühle mich hier pudelwohl und bin lediglich beunruhigt, wenn ich mit dem Auto durch kniehohes Wasser fahre und nicht weiß, ob ich im nächsten Moment in einem offenen Gulliloch feststecken werde.
Wie schon früher erwähnt, ist es besonders für mich und meine weiße Begleiterin total tabu, in der Dunkelheit alleine rauszugehen. Ausnahmen bilden konzentrierte Trips zum abendlichen Restaurantbesuch, was selten der Fall ist. Ansonsten heißt es wie früher: Spätestens um halb sieben bist Du aber zuhaus! Nicht selten landet man auf dem Weg vom Strandclub zurück in die Stadt – ja auch das gönnen wir uns hier von Zeit zu Zeit – in einem der berüchtigten Verkehrsstaus von Port-au-Prince. Diese ziehen sich teils kilometerlang, mal einspurig, mal drei- oder vierspurig auf jeweils einspurigen Fahrstreifen durch das Spalier von Mangohändlern, Bananenverkäufern, allerlei felgebotenem lebenden Getier und Myriaden von Telefonkartenanbietern.
Nicht frei erfunden, aber stellenweise masslos uebertrieben. Sofern man die „No-Go-Areas“ meidet kann man sich sicher auch Nachts in P a P bewegen. Schade, dass mal wieder negative Vorurteile angefuettert werden. Im uebrigen ist die „Homicide Rate“ in der Dom. Rep. hoeher als in Haiti.
Das ist natürlich richtig, so lange ich in einem sicheren großen Geländewagen der Hilfsorganisationen umherfahre, womöglich noch mit haitianischer, gar bewaffneter, Begleitung, die weiß wo die Nogo Areas liegen. Für den Haiti-Normalo – in Port-au-Prince – kommt ein Ausgehen in der Nacht nicht in Frage. Ausnahme ist selbstverständlich Petionville und Teile von Delmas, wo die reichen Haitianer wohnen und wo die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen in erster Linie untergebracht sind – für teure Mieten. Hier gibt es auch sehr gute Restaurants jeder Preisklasse, inklusive Pizzeria oder 5 Sterne, wir lieben zB das Papaye.