Ich dachte eine Weile darüber nach, dann antwortete ich ihm: “Jedesmal, also immer wenn du dein Flugzeug fliegen lässt, dann ist ein Teil von dir mit an Bord, stimmt’s?” Er lächelte verschmitzt, nahm die Dose Bier, die ich aus dem Rucksack gekramt und ihm hingehalten hatte und gab mir das Flugzeug. Er knackte die Dose auf, trank und ich schaute durch das dünne Plexiglas in das Cockpit. Es war wirklich nicht größer als zwei Daumen breit. Im Inneren war das vergilbte Passfoto einer schönen, etwa vierzigjährigen Frau mit langen, pechschwarzen Haaren, die sie zu einem Zopf geflochten trug. Ich hatte einen Kloß im Hals und sah ihn fragend an – ich wusste, wenn ich den Mund aufmachen würde, käme nur Gekrächze heraus.
Er setzte sich neben mich, scheinbar von meiner Reaktion berührt, nickte und nahm mir das Flugzeug wieder ab. Er trank, rülpste leise und sagte mit Blick auf den klaren, scharfen Horizont: “Weiter als eineinhalb Kilometer kann ich nicht hinaus fliegen. Sonst würde ich die Kontrolle über das Flugzeug verlieren. Aber ich glaube, ihr würden diese eineinhalb Kilometer genügen. Sie würde es lieben. Sie würde singen, dass würde sie!” Er stand auf und wir folgten ihm zu einer schmalen, etwa zweihundert Meter langen Parkbucht. Er stellte das Flugzeug auf den Boden, startete den Motor.
In das helle Jaulen des winzigen Benzinmotors sagte er etwas, dass ich nicht verstand. Ich wollte ihn auch nicht in diesem Moment danach fragen. Ich sah zu Chino. Er hatte Tränen in den Augen. Mein Freund Richard stand neben mir und drückte kurz meine Hand, wie um mir zu zeigen, dass er es verstanden hatte. Wir standen neben dem alten Mann und sahen zu, wie das kleine Flugzeug auf der Parkbucht beschleunigte, abhob und in einer harten Kurve hinaus steuerte aufs Meer. Mein Freund klopfte mir auf die Schulter und flüsterte mir ins Ohr: “Das ist schön. Ich bin ganz fertig.” Ich nickte. Wir verabschiedeten uns von dem alten Mann, der die Erinnerungen an seine Frau in den Himmel schickte, ließen noch eine Dose Bier da, die auf der Fahrt zurück eh nur warm geworden wäre, ich schulterte den Rucksack und wir liefen zu der Station, in die gerade ein Bus einfuhr. Wir standen dicht gedrängt beieinander, um uns schwatzende, lachende Kubaner, alt und jung, und das krachende Vibrieren des altersschwachen Busses.
Als wir in den Tunnel brausten, fragte ich Chino: “Du hast doch verstanden, was er gesagt hat, als er das Flugzeug startete, oder?” Er nickte und sah mich an, dann an mir vorbei zum Fenster hinaus in das Lichtgeflacker der Tunnelbeleuchtung, ich haute ihm die Faust auf den Oberarm und rollte mit den Augen wie ein Verrückter. Chino lächelte und antwortete, als der Bus auf der Stadtseite aus dem Tunnel fuhr:
“Vuela mi amor, vuela!”
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