In jedem restriktiven Lebensumfeld sucht sich der Mensch früher oder später, mehr oder weniger vehement seine persönlichen Freiräume; in anderen Ländern steigt die Gewalt, die sexuelle Obsession, blühen spiritistische Scheinwelten ohne Bezug zu Leben und Sinnlichkeit; auf Kuba scheint eben gerade der Naturalismus, die Sinnlichkeit des Lebens, eines Lebens voller Entbehrungen, die Grundlage der persönlichen Freiheit eines jeden Einzelnen zu sein. Jeder einzelne Atemzug, jeder Blick, jedes Lächeln ist Beweis für die Muskulatur der kubanischen Seele: Kubaner sind schöne Menschen, weil sie vom Kampf und den Belangen des Landes so geformt wurden, sie tanzen besser, weil nirgendwo sonst auf der Welt der Tanz so sehr zum Ausdruck der innersten persönlichen Freiheit wurde, die Kubaner singen besser (Und jeder Straßenmusiker in Havanna oder überall sonst auf der Insel hat mehr Talent und Musikgefühl im kleinen Finger als ein Casting-Show-Kandidat im ganzen Leben), weil nirgendwo sonst das Leben so unmittelbar danach verlangt, durch Musik ausgedrückt zu werden. Das Leben auf Kuba liegt nicht mit einer umfassenden Herzverfettung und erfüllt mit leidenschaftlich empfundener Unzufriedenheit im Krankenbett: es ist in allem sichtbar, kraftvoll, wild und umfassend.
Die Geschichte hat das Land Kuba mit Blut und Gelächter getränkt, ein Gelächter, das anderen Ländern, denen es wirtschaftlich wesentlich besser geht, die eigene Unzufriedenheit und Verbitterung spöttisch und tänzelnd vor Augen führt.
Das Leben selbst, der Wille zu leben, wild zu leben, sich seine persönliche Freiheit im Tanz, in der Musik, in zivilem Ungehorsam und in der Erotik zu suchen, konnte durch keinen Eroberer, durch kein Embargo und durch keine Zivilisationsversuche gebrochen werden.
Und so steht dieses Land aus Blut und Gelächter vor uns wie ein schallend lachendes Kind im strahlenden Sonnenschein, voller wilder Unschuld, und führt uns vor Augen, wie satt und schwach wir alle geworden sind.
Hallo,
Ich mag wie Sie schreiben.
Nur als kleine Ergänzung:
„Wenn man heute nach Kuba reist, wird man von den Immigrationsbeamten am Flughafen mit dem Vornamen angesprochen.“
Das ist nichts Ungewöhnliches bei den Latinos. Für uns mag das manchmal unhöflich erscheinen. In Zentral- und Südamerika wird diese Form der Ansprache oft verwendet. Die uns bekannte Form bestehend aus Señor + Familienname wird eher als sperrig empfunden und nicht so oft verwendet.
Hi DarkKiwi,
Vielen Dank für den freundlichen Hinweis. Ich persönlich und meine Freunde finden diese Form des Empfangs eigentlich sehr ansprechend und positiv. Mein Eindruck, diese Begrüßung könnte auf Basis einer Direktive umgesetzt werden beruht darauf, dass ich mich nicht erinnern kann, früher schon mal bei der Einreise nach Kuba so angesprochen worden zu sein. Vielleicht war ich damals aber auch zu erschöpft von der elendslangen Fliegerei, um das mitzubekommen :-)
Danke für das Kompliment bezüglich Schreiberei!
Liebe Grüße,
Peter