Obwohl sich unser Wohnhaus immer noch im Rohbau befand, richteten wir an diesem Abend zwischen all den Umzugskartons unser Schlaflager ein. Wir hielten es für sicherer, nachdem nun unser ganzes Inventar hier gelagert war. Eine Plastikplane auf dem Betonboden, darüber die Bettroste und darauf unsere Matratzen, und was wichtig war, darüber ein Moskitonetz, das war für die nächste Zeit unser Bett. Leider schätzten auch die lieben Tierchen dieses Lager. Bevor wir uns hinlegten mussten wir jeden Abend erst das Ungeziefer von den Matratzen fegen. Diesbezüglich waren wir inzwischen bereits ziemlich abgehärtet.
Nachts waren wir durch diese Maßnahme in der Lage, unser Eigentum gegen Diebstahl zu schützen, doch am Tag war dies wesentlich schwieriger. Unsere Nachbarschaft hatte nun gesehen, dass wir viele Dinge im Haus hatten, die sie gerne gehabt hätten. Deshalb ließen sie keine Gelegenheit aus, ins Haus einzubrechen, um sich zu bedienen. Es kam so schlimm, dass wir nichts mehr zusammen unternehmen konnten. Einer musste stets das Haus bewachen. Wir hatten das Gefühl, dass wir ständig unter Beobachtung standen. Bei der kleinsten Unachtsamkeit unsererseits fehlte etwas. Die Einheimischen gingen dabei unheimlich einfallsreich vor. Zum Beispiel verwickelte uns einer vor dem Haus in ein Gespräch, während ein anderer auf der Rückseite des Hauses über den Zaun stieg und Bettwäsche von der Leine stahl. Auch mussten wir feststellen, dass die Fensterläden, die wir beim Schreiner aus wunderschönem Zedernholz hatten anfertigen lassen alles andere als einbruchsicher waren. Die Lamellen, die für Luftzufuhr sorgen sollten, brachen die Einbrecher mit irgendwelchem Werkzeug einfach heraus, und schon waren sie im Haus und konnten sich bedienen. Einkäufe und Besorgungen konnte fortan stets nur einer von uns Beiden bewältigen während der Andere das Haus bewachte.
Einmal wöchentlich jedoch war ein Großeinkauf in der Hauptstadt Scarborough nötig. Das beanspruchte jedes Mal einen kompletten Tag. Um dies unbesorgt erledigen zu können, mussten wir jemanden bezahlen, der in dieser Zeit auf unser Haus aufpasste. In der Stadt gab es nur kleine Einkaufsmärkte. Man konnte nicht in einen Supermarkt gehen in der Hoffnung, dort alles zu erhalten. Jedoch mit der Zeit wussten wir wenigstens, wo man was erhielt. Eine Metzgerei gab es überhaupt nicht. Wollte man Frischfleisch haben, so musste man die Kühlhalle auf dem Markt besuchen. Dort verkaufte ein Metzger sein Fleisch. Meist hatte er ein großes Stück vom Rind und eines vom Schwein dabei. Man hatte sich in der langen Reihe der Wartenden einzureihen und Geduld zu bewahren. Kam man dann endlich dran, konnte man sich nicht aussuchen, welches Stück man haben wollte, also Braten, Schnitzel oder Hals. Man erhielt das Stück, welches der Metzger gerade als nächstes abhackte. Als Werkzeug verwendete er natürlich seine Machete.
Außerdem boten auch die kleinen Supermärkte gefrorene Hähnchenteile an. Nur diese waren mit Vorsicht zu genießen. Als ich mal nach meinem Einkauf aus einem Laden kam, parkte davor in der brütenden Hitze ein Lastwagen. Es war ein ganz normaler Lastwagen mit einer Plane über der Ladefläche, also kein Kühlwagen. Unter der Plane lief eine rosa Brühe aus Blut und Wasser hervor. Offensichtlich waren gefrorene Hähnchenteile geladen, die in der Mittagshitze auftauten. Nach dem Abladen wurden diese stark angetauten Fleischstücke einfach wieder in die Gefriertruhe gelegt und verkauft. Nach dieser Beobachtung hatte ich stets besonders darauf geachtet, Hähnchenteile sehr gut durch zu braten.
Hatten wir an so einem Einkaufstag auch noch Erledigungen auf der Bank, so nahmen wir des öfteren einen Nachbarsjungen mit, der sich gerne an unserer Stelle in die Warteschlange einreihte. Die Wartezeit betrug meist Stunden. Viele der Einheimischen sind nämlich Analphabeten, weshalb sämtliche Formulare von den Bankangestellten ausgefüllt werden mussten. Zwischenzeitlich erledigten wir alle unsere Einkäufe, und nahmen danach seinen Platz ein. Man hatte das Gefühl, den Menschen war diese Warterei gar nicht unangenehm. War es doch in der Bank schön kühl, man traf Bekannte und konnte den neuesten Tratsch erfahren. Hatten wir an so einem Einkaufstag endlich alles beieinander, so mussten wir versuchen, die gesamten Einkäufe im Auto unterzubringen. Oft genug fand nicht alles Platz. Wir legten dann einfach eine Decke aufs Autodach und packten darauf Getränkekisten und Kartons. Diese banden wir mit Stricken am Dach fest. Die Heimfahrt war oft recht abenteuerlich, zumal die Straße entlang der Küste sehr kurvenreich war.
So ein Transport wäre in Deutschland undenkbar gewesen.
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