Wer schwächt Venezuela wirklich?

Datum: 28. Juli 2011
Uhrzeit: 20:17 Uhr
Ressorts: Leserberichte
Leserecho: 14 Kommentare
Autor: Martin Bauer, Caracas (Leser)
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Auf „amerika21.de“ erschien gestern ein Artikel, der sich wiederum auf einen Artikel des SPIEGEL bezog. Ein Herr Maxim Graubner bemüht sich darin krampfhaft, möglichst jedes Detail des SPIEGEL Artikels zu zerpflücken und Gegenteiliges zu behaupten, was in der Geschichte des SPIEGELS oft versucht aber kaum jemals wirklich gelungen ist. Offensichtlich stützt er sich dabei auf Zahlenmaterial, welches auf den chavistischen Informationsapparat zurück geht, dessen Glaubwürdigkeit ja hinreichend bekannt ist. Demnach erscheint Venezuela heute als Paradies auf Erden, als die endgültige und einzige Alternative zum längst gescheiterten Kapitalismus, und nur die bösen USA tragen Schuld daran, dass denn doch nicht alles so klappt wie es sollte…

Nun lebe ich schon viele Jahre in Venezuela, die staatliche Propaganda wird uns täglich um die Ohren gehauen, und es geht von Monat zu Monat weiter bergab. Gregor Gysi hat uns ja letztes Jahr besucht, wobei er sich von Sicherheitskräften der Bundesregierung eskortieren liess, die ihm als Vertreter der Opposition nur in Kriegs- und Krisengebieten zu steht. Ich hielt ihn noch nie für dumm. Er weiss genau, wie gefährlich es hier ist und wie beliebt hier sozialistisch gefärbte Politiker sind. In der etwas verwegenen Annahme, die Sicherheit seines Hinterns stünde im öffentlichen Interesse, verschwendete er widerrechtlich Steuergelder. Allein darin zeigt sich die geistige Verwandtschaft zu Hugo Chávez, der wohl Weltmeister in dieser Disziplin ist, wie sich gezeigt hat. Was seine Visite nun gebracht hat und für wen, bleibt wohl eines seiner Geheimnisse.

Doch zurück zur PDVSA! Sie verfügt nun über die unbestritten grössten Ölreserven der Welt. Die Funde der letzten Jahre im Orinoco Raum wurden von internationalen Kommissionen bestätigt. Wie ist es möglich, dass diese Firma de facto insolvent ist und nicht einmal mehr über ausreichend Sicherheit verfügt, um sich an internationalen Kapitalmärkten Geld zu leihen? – Da ist zunächst der vielbeschworene Mangel an Fachkräften zu erwähnen. Laut Chávez wurden als Folge der Ereignisse von 2002 „20.000 Saboteure“ gegen „tapfere Genossen“ ausgetauscht. Es waren zwar nur etwas über 18.000, aber das machte immerhin fast die Hälfte der gesamten Belegschaft von rund 40.000 Personen aus. Wenn amerika21.de hierzu schreibt „Denn wenn schon 2004 rund 19.000 Angestellte entlassen wurden, so fallen die fehlenden rund 1.000 über acht Jahre bei hunderttausenden Beschäftigten wohl kaum ins Gewicht.“ zeigt dies, wie genau man es dort mit Fakten hält.

In einer venezolanischen Metropole lernt man zwangsläufig viele Menschen kennen. So sind mir auch einige der „Saboteure“ von damals begegnet, denn nicht jeder von ihnen hat das Land verlassen, aber jeder hat seine Geschichte. Sicher war auch die alte PDVSA nicht in der Lage, sich als einziger Grosskonzern der Welt rühmen zu können, frei von jeder Korruption zu sein. Von „Sabotage“ aber weiss keiner was. Generalstreik ist in Venezuela ein in der Verfassung verankertes Grundrecht und keine Sabotage. Sie aber wurden und werden von der Regierung geächtet wie Verbrecher. Dabei wurde keiner jemals offiziell einer Straftat beschuldigt oder gar vor Gericht gestellt. Übereinstimmend berichteten alle, dass die PDVSA alle namhaften Firmen der Branche weltweit mit der Bitte angeschrieben hat, sie keinesfalls einzustellen. Einige haben dem entsprochen, andere nicht. Für Venezuela selbst hat man ein Gesetz erlassen, das ausländischen Firmen verbot, diese Leute einzustellen, was gegen Verfassung und Menschenrechte verstösst. Einer von den Betroffenen, mit dem ich gut befreundet bin, suchte sich einen sehr viel schlechter bezahlten Job, um zu überleben. Hierzu musste er in einen anderen Bundesstaat umziehen, so dass er seine Familie über viele Jahre hinweg nur gelegentlich für ein Wochenende sah, bis auch dieser Arbeitgeber enteignet und verstaatlicht wurde und sein Arbeitsplatz erneut von ungebildetem Gesindel mit dem richtigen Parteibuch besetzt wurde. So ist er nun, als fast Siebzigjähriger, wenigstens wieder mit seiner Familie vereint, jedoch auf Unterstützung seiner Kinder angewiesen, denn eine Pension zahlt man an „Saboteure“ nicht.

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  1. 1
    Sebastian Klein

    Herr Bauer, Das ist ein Top-Artikel. Endlich eine objektive Beurteilung der Situation im Land. Ich übergebe mich jedesmal, wenn ich einen Artikel von der linken Schmierpresse lese. Aus Europa berichtet, ohne Hintergrund. Diese Gekritzele lesen und glauben eh nur linke Randgruppen, die kein Mensch beachtet.

  2. 2
    Pandora

    DIESER Artikel bringt es genau auf den Punkt !!!

  3. 3
    Martin Bauer

    Hier noch ein kleiner Nachtrag für alle Zweifler. Es gibt eine im Internet seit Jahren verbreitete Liste (auch leicht zu finden für die Redaktion von amerika21.de) von 92 namentlich benannten PSUV Mitgliedern, von denen jeder einzelne bei der kleinen Standford Bank wenigstens eine Million US$ angelegt hatte. Die den entsprechenden Beträge sind aufgeführt. Die Gesamtsumme, kleinere Anlagen als 1 Million nicht eingerechnet, belief sich damals auf lediglich 1.514.671.750,00 US$ (über 1,5 Milliarden). Der Spitzenreiter war dabei der heutige Minister für Infrastruktur, Diasdado Cabello, mit 278 Millionen $.

    Doch Vorsicht! Dies war der Stand von April 2004, also nur recht kurze Zeit nach dem vollen Zugriff der Regierung auf die PDVSA. Man hat erst danach so richtig angefangen, diese Firma zu schröpfen. Auch die Stanford Bank damals noch nicht im gleichen Ausmass für Depots bevorzugt, weil diese früher noch nicht die horrenden Renditen versprach, wie in den Jahren danach. Es ging also noch sehr viel auf andere Banken. Das wirklich grosse Geld kam später zu Stanford.

    Hier 2 Links, die zu der Liste führen. Natürlich tauchen auch viele engste Familienmitglieder von H.C. auf, nur der König selber nicht.
    http://navyoirad-sinlimites.blogspot.com/2009/03/presunta-lista-stanford-bank-sera.html
    http://www.tunoticierodigital.com/foro/lista-de-ahorristas-en-stanford-bank-t5786.html

    • 3.1
      alexandro

      Einfach nur Danke Herr Bauer für Ihre Ausführungen. Auf das Gesummse der unwissenden und ewig Gestrigen, die aus der Geschichte nichts gelernt haben sollte man eigentlich gar nicht eingehen. Die fühlen sich auch noch geehrt wenn mann ihren Bockmist zur Kenntnis nimmt

  4. 4
    Gast.

    Der Artikel ist sehr ausgewogen und beschreibt ohne Häme
    das Problem, weiter so.

  5. 5
    Der Bettler

    Ohne Häme zu schreiben ist bei diesen gegebenen Voraussetzungen
    manchmal sehr schwer.Wir wissen alle,daß ein haufen Monetas in dunkle
    Kanäle verschwinden,aber so Personengenau,allen Respekt.Super
    recherchiert

  6. 6
    Urs Horgen

    Es ist löblich, dass endlich einmal ein Medium über die wahren Gegebenheiten in Venezuela berichtet. Diese Schönfärberei gewisser Medien, deren Schreiberlinge ehemalige Ossis sind, gehört endlich der Marsch geblasen. Bravo!!!

  7. 7
    hans

    ich habe ihnen schon einmal ins stammbuch geschrieben, dass sie nicht tendenzioes, sondern neutral zu informieren haben. das beurteilen muessen sie schon dem leser ueberlassen. ansonsten sind sie ein lumpenverein, der keine ahnung von den aufgaben des journalismus hat.

    • 7.1
      Heinz

      Da scheint ja ein Linker erneut die Tatsachen zu verdrehen. Wie ich sehe, handelt es sich hier um einen Leser-Bericht. Typisch linke, rote Hans-Socke. Wahrheiten verdrehen. Anscheinend wurde hier voll in die kommunistische linke Wunde gegriffen. Einfach herrlich.

      @dass sie nicht tendenzioes, sondern neutral zu informieren haben.

      Genosse Hans, Ostzone ist Geschichte. Hier wird nixen befohlen.

    • 7.2
      Martin Bauer

      Hhm! Wußte nicht, dass ich ein Stammbuch habe, in dem ich Befehle entgegennehme. Auch nicht, daß Sie mir überhaupt jemals etwas geschrieben haben.

      Ich schreibe über das, was ich erlebe und wie ich die Dinge sehe, wobei ich um Objektivität bemüht bin. Eine Meinung zu äußern und Stellung zu beziehen, ist mein Recht, aber nicht zwangsläufig auch die Haltung der Redaktion. Es steht jedem frei, Dinge anders zu beurteilen oder meine Beiträge nicht zu mögen und dies auch zu äußern, nicht aber, mich einem „Lumpenverein“ zuzuordnen (was immer damit gemeint sein soll).

      • 7.2.1
        Pandora

        Hans kann nur einer sein – der NICHT in VE lebt … !!

  8. 8
    Martin Bauer

    @ Pandora
    Da bin ich nicht so sicher. Erstens benutzt er keine Umlaute, was in D. ungewöhnlich wäre. Zweitens hab ich hier schon Deutsche erlebt, die weit links von Chávez stehen. „Die Linke“ hat auch hier im Land ihre Vertreter und Sympathisanten. Die Leute der Friedrich-Ebert-Stiftung sind dagegen recht moderat, nicht selten Anti-Chavista.

    • 8.1
      Pandora

      Ja , das kann natürlich auch sein …
      Ansonsten ,
      die „Sympathisanten“ , welche ich HIER hab kennen gelernt – haben den sogenannten“Dreck am Stecken“ und sind nur links aus Angst , dass man ihnen ihr „Hab und Gut“ weg nimmt … dafür würden sie sogar einen „Pakt mit dem Teufel“ eingehen …. oder sollte ich sagen – haben sie ja schon ?!

  9. 9
    Der Bettler

    Oder solche,die in Deutschland Dreck am Stecken haben,und schnell mal
    nach Venezuela auswandern.Da kenn ich einige auf der Insel.Sind auch
    Holländer und andere Nationalitäten dabei.Es stimmt,daß in Venezuela
    auf der Tastatur keine Umlaute zu finden sind,ist aber in Holland,England
    auch so.Wir wohnen in Venezuela und haben einen Laptop mit Umlauten.
    Einwanderer,die nicht den finanziellen Hintergrund haben,sind hier alle gescheitert,und waren alle Chavezanhänger.Man kann hier keinesfalls
    mit Harz 4 sein Leben bestreiten.Diese haben in Deutschland keine Per-
    spektive und hier noch weniger.Ohne Geld bist du hier noch ärmer dran
    als die ärmsten Venezolanos.Ich kenne auch welche,die viel Geld haben,
    Die hier nur wegen ihrer Gesundheit vor Jahren auf die Insel kamen,und
    trotzdem Chavez hassen wie die Pest.Der Kommentar von Urs zeigt uns
    daß Hans ein Ossi sein muss,sonst hätte er nicht so beleidigend darauf reagiert.Alle blauäugigen Einwanderer ohne größere Ersparnisse,leben
    hier nach kurzer Zeit schlimmer als Hunde auf der Straße.

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