Wer schwächt Venezuela wirklich?► Seite 2

Datum: 28. Juli 2011
Uhrzeit: 20:17 Uhr
Ressorts: Leserberichte
Leserecho: 14 Kommentare
Autor: Martin Bauer, Caracas (Leser)
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Auch ein hoher Manager der neuen PDVSA taucht in unserem Freundeskreis regelmässig auf. Politische Themen sind dann tabu. Es hat lange gebraucht, bis er dies respektierte. Mir platzt trotzdem jedes mal fast die Galle, wenn dieser schleimige Opportunist damit prahlt, in wenigen Wochen Multimillionär geworden zu sein.

Doch erneut zurück zur PDVSA! Wo sind denn nun die unzähligen Milliarden geblieben, die ein Ölkonzern dieser Grösse zwangsläufig verdienen muss? Kritiker in den eigenen Reihen der neuen Geschäftsleitung sagen, es flösse zu viel davon in Sozialprojekte. Mag sein, nur kommt davon in diesen Projekten kaum etwas an. Es versickert unterwegs im Nirgendwo. Die kubanischen Ärzte z.B., für deren Entsendung die Castros jede Menge Öl von der PDVSA erhalten, welches sie auf dem Spotmarkt verhökern, sind grösstenteils ins Ausland desertiert. Mir ist in all den Jahren noch nicht einer begegnet. Medikamente gibt es nur gegen Bares. Wer kein Geld für ärztliche Behandlung hat, stirbt auf den Fluren der staatlichen Kliniken. Eine private Krankenversicherung ist also unerlässlich, wenn man nicht zu den Superreichen zählt. Aber die kostet rund 1.300 BsF pro Monat und ist stets für ein Jahr im voraus zu entrichten. Ein Polizist verdient 1.500 BsF im Monat, dies braucht ein Vierpersonen Haushalt in der Woche an Lebensmitteln, wenn man sich menschenwürdig ernähren will. Die Milliarden der PDVSA sind hier ebenso wenig aufgetaucht, wie in anderen Projekten. Das System funktioniert wie die Wasserleitungen in den Städten, sie verlieren weitaus mehr, als bei den Verbrauchern ankommt. Aber auch das erklärt nicht die Finanzmisere der PDVSA.

Selbst die Meldung der mexikanischen Zeitschrift „La Razón“ über 137 Millionen Dollar, welche die Chávez Familie auf U.S. Konten gehortet haben soll, erklärt nicht das Verschwinden von Milliarden. Weiter kommt man eher mit einer Recherche bezüglich der Stanford Bank Pleite im Februar 2009. Da war die Rede von 8 Milliarden an Kundeneinlagen, die durch betrügerische Spekulationen verloren gingen. Dies bezog sich aber nur auf offizielle Konten für weisses und graues Geld. Viele Kunden bestritten energisch, dort nennenswerte Guthaben gehabt zu haben. Es gab nämlich auch Konten für rabenschwarzes Geld, über deren Besitzer einiges durchsickerte. Da war von mehreren, vorwiegend mexikanischen Drogenkartellen die Rede, die Beträge in nicht genannter Milliardenhöhe verloren haben sollten. Und da wurde als grösste Anleger der Bank überhaupt die Familie Chávez nebst einiger Freunde genannt. Genaue Zahlen wurden auch hier nicht publik, die vorsichtigste Schätzung sprach von 200 Milliarden Dollar, die höchste von 800 Milliarden. Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen. Eine andere Quelle als die PDVSA ist für solche Summen nicht vorstellbar, nicht mal Rauschgifthandel, den ich hiermit der Familie Chávez nicht unterstellen will. Wer die Bilanzen der grössten Ölkonzerne kennt, ob geschönt oder nicht, kann sich ausrechnen, dass die Abzweigung eines solchen Kapitals eine weitgehende Plünderung der Zahlungseingänge über viele Jahre hinweg bedingt, nicht nur die Abschöpfung der Gewinne, also unausweichlich in die Insolvenz führen muss.

Auffällig war jedenfalls, dass Hugo Chávez, innerhalb weniger Tage nach Bekanntwerden der Insolvenz, eine Serie von Aktionen startete, um den Schaden zu begrenzen. So wurden augenblicklich die 17 Filialen der Stanford Bank auf venezolanischem Territorium von Militär oder Nationalgarde besetzt und vom Staat annektiert. Geschädigte Kunden erhielten in kürzester Zeit vollen Schadensersatz, sofern es sich um legale Anlagen in nationaler Währung handelte. Einsicht in die Transaktionen der Vergangenheit erhielt niemand. Alles wurde vernichtet. Auf die Zentrale der Stanford Bank in Antigua hatte Chávez natürlich keinen Zugriff. – Des weiteren erhöhte er nur wenige Tage später die Mehrwertsteuer drastisch und startete die bis dahin grösste Welle der Enteignungen. Dabei machte er selbst vor der Firma Cargill nicht halt, die als eine der reichsten und vor allem mächtigsten Firmen der Welt gilt, an der die CIA ein nicht unbeträchtliches Aktienpaket hält. So hat Chávez zwar seinen Erzfeind ins Mark getroffen, vielleicht ohne es zu wissen. Aber dieser hat seit dem wirklich ein Motiv, gegen die aktuelle venezolanische Regierung zu agieren, ganz unabhängig von der Politik des Weisen Hauses. Noch hält er sich zurück, zumal die Krebserkrankung des Präsidenten jedes Handeln überflüssig machen könnte.

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Kommentarbereich

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  1. 1
    Sebastian Klein

    Herr Bauer, Das ist ein Top-Artikel. Endlich eine objektive Beurteilung der Situation im Land. Ich übergebe mich jedesmal, wenn ich einen Artikel von der linken Schmierpresse lese. Aus Europa berichtet, ohne Hintergrund. Diese Gekritzele lesen und glauben eh nur linke Randgruppen, die kein Mensch beachtet.

  2. 2
    Pandora

    DIESER Artikel bringt es genau auf den Punkt !!!

  3. 3
    Martin Bauer

    Hier noch ein kleiner Nachtrag für alle Zweifler. Es gibt eine im Internet seit Jahren verbreitete Liste (auch leicht zu finden für die Redaktion von amerika21.de) von 92 namentlich benannten PSUV Mitgliedern, von denen jeder einzelne bei der kleinen Standford Bank wenigstens eine Million US$ angelegt hatte. Die den entsprechenden Beträge sind aufgeführt. Die Gesamtsumme, kleinere Anlagen als 1 Million nicht eingerechnet, belief sich damals auf lediglich 1.514.671.750,00 US$ (über 1,5 Milliarden). Der Spitzenreiter war dabei der heutige Minister für Infrastruktur, Diasdado Cabello, mit 278 Millionen $.

    Doch Vorsicht! Dies war der Stand von April 2004, also nur recht kurze Zeit nach dem vollen Zugriff der Regierung auf die PDVSA. Man hat erst danach so richtig angefangen, diese Firma zu schröpfen. Auch die Stanford Bank damals noch nicht im gleichen Ausmass für Depots bevorzugt, weil diese früher noch nicht die horrenden Renditen versprach, wie in den Jahren danach. Es ging also noch sehr viel auf andere Banken. Das wirklich grosse Geld kam später zu Stanford.

    Hier 2 Links, die zu der Liste führen. Natürlich tauchen auch viele engste Familienmitglieder von H.C. auf, nur der König selber nicht.
    http://navyoirad-sinlimites.blogspot.com/2009/03/presunta-lista-stanford-bank-sera.html
    http://www.tunoticierodigital.com/foro/lista-de-ahorristas-en-stanford-bank-t5786.html

    • 3.1
      alexandro

      Einfach nur Danke Herr Bauer für Ihre Ausführungen. Auf das Gesummse der unwissenden und ewig Gestrigen, die aus der Geschichte nichts gelernt haben sollte man eigentlich gar nicht eingehen. Die fühlen sich auch noch geehrt wenn mann ihren Bockmist zur Kenntnis nimmt

  4. 4
    Gast.

    Der Artikel ist sehr ausgewogen und beschreibt ohne Häme
    das Problem, weiter so.

  5. 5
    Der Bettler

    Ohne Häme zu schreiben ist bei diesen gegebenen Voraussetzungen
    manchmal sehr schwer.Wir wissen alle,daß ein haufen Monetas in dunkle
    Kanäle verschwinden,aber so Personengenau,allen Respekt.Super
    recherchiert

  6. 6
    Urs Horgen

    Es ist löblich, dass endlich einmal ein Medium über die wahren Gegebenheiten in Venezuela berichtet. Diese Schönfärberei gewisser Medien, deren Schreiberlinge ehemalige Ossis sind, gehört endlich der Marsch geblasen. Bravo!!!

  7. 7
    hans

    ich habe ihnen schon einmal ins stammbuch geschrieben, dass sie nicht tendenzioes, sondern neutral zu informieren haben. das beurteilen muessen sie schon dem leser ueberlassen. ansonsten sind sie ein lumpenverein, der keine ahnung von den aufgaben des journalismus hat.

    • 7.1
      Heinz

      Da scheint ja ein Linker erneut die Tatsachen zu verdrehen. Wie ich sehe, handelt es sich hier um einen Leser-Bericht. Typisch linke, rote Hans-Socke. Wahrheiten verdrehen. Anscheinend wurde hier voll in die kommunistische linke Wunde gegriffen. Einfach herrlich.

      @dass sie nicht tendenzioes, sondern neutral zu informieren haben.

      Genosse Hans, Ostzone ist Geschichte. Hier wird nixen befohlen.

    • 7.2
      Martin Bauer

      Hhm! Wußte nicht, dass ich ein Stammbuch habe, in dem ich Befehle entgegennehme. Auch nicht, daß Sie mir überhaupt jemals etwas geschrieben haben.

      Ich schreibe über das, was ich erlebe und wie ich die Dinge sehe, wobei ich um Objektivität bemüht bin. Eine Meinung zu äußern und Stellung zu beziehen, ist mein Recht, aber nicht zwangsläufig auch die Haltung der Redaktion. Es steht jedem frei, Dinge anders zu beurteilen oder meine Beiträge nicht zu mögen und dies auch zu äußern, nicht aber, mich einem „Lumpenverein“ zuzuordnen (was immer damit gemeint sein soll).

      • 7.2.1
        Pandora

        Hans kann nur einer sein – der NICHT in VE lebt … !!

  8. 8
    Martin Bauer

    @ Pandora
    Da bin ich nicht so sicher. Erstens benutzt er keine Umlaute, was in D. ungewöhnlich wäre. Zweitens hab ich hier schon Deutsche erlebt, die weit links von Chávez stehen. „Die Linke“ hat auch hier im Land ihre Vertreter und Sympathisanten. Die Leute der Friedrich-Ebert-Stiftung sind dagegen recht moderat, nicht selten Anti-Chavista.

    • 8.1
      Pandora

      Ja , das kann natürlich auch sein …
      Ansonsten ,
      die „Sympathisanten“ , welche ich HIER hab kennen gelernt – haben den sogenannten“Dreck am Stecken“ und sind nur links aus Angst , dass man ihnen ihr „Hab und Gut“ weg nimmt … dafür würden sie sogar einen „Pakt mit dem Teufel“ eingehen …. oder sollte ich sagen – haben sie ja schon ?!

  9. 9
    Der Bettler

    Oder solche,die in Deutschland Dreck am Stecken haben,und schnell mal
    nach Venezuela auswandern.Da kenn ich einige auf der Insel.Sind auch
    Holländer und andere Nationalitäten dabei.Es stimmt,daß in Venezuela
    auf der Tastatur keine Umlaute zu finden sind,ist aber in Holland,England
    auch so.Wir wohnen in Venezuela und haben einen Laptop mit Umlauten.
    Einwanderer,die nicht den finanziellen Hintergrund haben,sind hier alle gescheitert,und waren alle Chavezanhänger.Man kann hier keinesfalls
    mit Harz 4 sein Leben bestreiten.Diese haben in Deutschland keine Per-
    spektive und hier noch weniger.Ohne Geld bist du hier noch ärmer dran
    als die ärmsten Venezolanos.Ich kenne auch welche,die viel Geld haben,
    Die hier nur wegen ihrer Gesundheit vor Jahren auf die Insel kamen,und
    trotzdem Chavez hassen wie die Pest.Der Kommentar von Urs zeigt uns
    daß Hans ein Ossi sein muss,sonst hätte er nicht so beleidigend darauf reagiert.Alle blauäugigen Einwanderer ohne größere Ersparnisse,leben
    hier nach kurzer Zeit schlimmer als Hunde auf der Straße.

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