Seit einigen Tagen fühlen wir uns betreut, wie seinerzeit während und nach der Flucht. Täglich haben uns rührige Damen telefoniert und sich nach Wünschen und Befinden erkundigt, schön, so umsorgt zu werden, wir können nicht mehr verloren gehen. Fehlt nur noch ein offerierter Kaffee, aber das funzt noch nicht durchs Telefon, bis heute. Mit einiger Verspätung bringt ein Kurier die Tickets des Reisebüros, darauf ist „ELSTNERTAINMENT“ aufgedruckt, damit ist schon alles bekannt. Wir sind in eine gigantische Unterhaltungsmaschinerie eingespannt, schon die ganze Woche, und die tickt vorwärts, sekundengenau, wie eine Uhr.
Schließlich war der 10.April 2010. Wir sitzen, meine Frau Rosita und ich, im ICE der Deutschen Bahn, und sausen nordwärts. Nach Norden sagt man auch für „aufwärts“, denn auch auf einer geographischen Karte ist Norden oben. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch, etwa wenn es mit den Kursen aufwärts geht. Und auch diese ICE- 1.Klassfahrt geht nicht nur wirklich nach Norden, sondern gibt uns das Gefühl, dass es auch sonst wieder aufwärts geht, wie immer nach einer langen Talfahrt.
Rosita hat sich dazu die richtige Lektüre gekauft: „Barack Obama, ein amerikanischer Traum. Eine beeindruckende Schilderung der Suche nach seiner Identität als schwarzer US-Bürger“. Dabei fielen natürlich zahlreiche Nebeninformationen für mich ab, über diesen raketenhaften Aufstieg in den Nordhimmel, dieser Persönlichkeit, die ja auch Haiti so sehr verhaftet ist. Und schon wieder wären wir beim Thema Märchen und Wunder, an die man glauben muss, damit es aufstellt.
So geht die Fahrt rasch vorüber, und schon sitzen wir im Taxi und rauschen durch prächtige Parkanlagen zum Dorint Hotel Messner, einer Luxusabsteige, wie ich sie mir seit 20 Jahren nicht mehr leisten konnte. Gesichter von Berühmtheiten tauchen hier wie Schemen im Nebel auf. Und kaum reicht die Zeit für eine flüchtige Ruhepause, Retablierung, einen kurzen Spaziergang und einen Imbiss. Und schon wieder laufen wir Barack Obama über den Weg. Ich frage nämlich den uns begleitenden Regisseur, warum denn auf der Straße alle Schachtdeckel weiß versiegelt seien, erklärt der uns, das hätte der amerikanische Geheimdienst bewirkt. Kürzlich sei Obama hier durch spaziert und seine Sicherheitsleute wollten verhindern, dass sich im unterirdischen Röhrenlabyrinth gefährliche Elemente verstecken konnten. Mit einem Wagen des Fernsehstudios geht’s weiter. Im Studio treffe ich auch alte Freunde wieder, ein Fernsehteam war schon bei uns in Haiti, das sich die Karibikinsel Hispaniola mit der Dominikanischen Republik teilt, als unser Haus intakt und prächtig war und es dort noch einiges zu filmen gab.
Nach einer schnellen Schminke gab es Probeaufnahmen, wohl durch den Fernsehfotografen, und ein Tonmeister versteckte Mikrophone unter meinen Kleidern. Dann musste ich ein Stockwerk höher klettern in die „Maske“, wo ich mich in zarte Damenhände begeben durfte und beschminkt, benebelt und bepudert wurde, dass mein Gesicht auch einem jener Nebelschemen glich – ich hörte jedenfalls nachträglich von grotesken Jüngerschätzungen durch Zuschauer, die gerne etwas über mein wahres Alter erfahren hätten. Über das wahre Alter spricht man eben nicht, wenigstens bei „Stars“. Das könnte Fans kosten…
Schon führt uns der Aufnahmeleiter hinunter ins Studio, es ist schon voller Zuschauer. Wir werden hindurch gelotst, meine Frau zu einem Zuschauerplatz auf der Seite, und auch uns werden Plätze zugewiesen, ganz nahe dem „Tatort“. Was folgte erlebte ich fast hektisch. Frank Elstner, der unter anderem im Südwestrundfunk die Talk-Show Menschen der Woche moderiert, stellte sich vor und erklärte mir ganz kurz den Ablauf der Sendung, für Lampenfieber blieb keine Zeit, trotz der Hunderte von Lampen, die von der Deckle hingen. Da gab es so viele Beschäftigte, Regisseure, Techniker, Kabelträger und weiß nicht was, und im letzten Moment wurde noch umgestellt. Herr Elstner kennt mich aus meinen Geschichten und wollte mich zuerst als Menschen und Abenteurer vorstellen, er hatte sich eigentlich darauf vorbereitet, mit den drei Flugzeugcrashs zu beginnen, die ich schon heil überlebt hatte, und dann aufs Erdbeben überleiten. Da sich kurz vor der Sendung zwei Katastrophen in Polen und Russland abspielten, wobei die ganze polnische Elite ums Leben kam, entschloss er sich auf dieses sensible Thema zu verzichten und auf ein Höhlenmotiv auszuweichen. Die kommenden Fragen kannte ich ja ohnehin nicht, so spielte mir das keine Rolle. Vier Kameras waren im Einsatz, wovon eine an einem Kran. Die Sendung erlebte ich stressig, meine Sätze sind immer zu lang, und wenn ich in die Nähe der Hauptsache kam, die ich eigentlich sagen wollte, empfand ich mich unterbrochen durch ein anderes Thema. Ich passe eben nicht in eine tickende Maschine, mit so kurzem Takt. Es war so stressig, dass ich die Bilder und die Texteinblendungen nicht einmal gewahrte, und schon war meine Zeit um. Wenn Sie mehr wissen wollen, können sie die Sendung nochmals hier abrufen.
Nach mir kamen die übrigen „Menschen der Woche“ an die Reihe, zuerst Petra Winter. Sie streitet für mehr Frauen in den Führungsspitzen und ist Chefredakteurin der Zeitschrift Cosmopolitan, Miriam Pielhau ist bekannt als Fernseh-Moderatorin und Autorin von „Fremdkörper“, in dem sie den erfolgreichen Kampf gegen ihren Brustkrebs schildert, der Pforzheimer Bürgermeister Alexander Uhlig wurde vor einer Woche nach 60 Stunden Bergnot von einem Polizeihelikopter gerettet und der Schauspieler Dirk Bach wurde unter anderem durch aufrüttelnde Filme und Tierschutz-Aktionen berühmt – ließ sich textilfrei fotografieren unter dem Motto: „Lieber nackt als mit Pelz“. Alexander Uhlig meinte nach der Sendung zu mir, eigentlich seien unsere Erlebnisse sehr ähnlich gewesen, ich unter Wasser, er unter Schnee. Ich lachte zurück, „Ja, nur fehlte bei mir der rettende Helikopter, und es war dunkel, Tag und Nacht“.
Schließlich hatte auch die Sendung ein Ende, und ich bin wieder einmal, diesmal dank der „Maske“, zehn Jahre jünger geworden. Mindestens !
Und wenn jemand sogar Lust hat, mir etwas zu helfen, hier die Adresse:
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