Erntedankfest auf Tobago

Bucht

Datum: 23. Januar 2010
Uhrzeit: 17:48 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Meine Schwester kam mit ihrer Freundin aus Deutschland zu Besuch. Die beiden Frauen wollten drei Wochen bei uns bleiben. In ihrem Handgepäck befand sich ein Apfel von der Reise. Ein grüner, knackiger Apfel! Mir lief das Wasser im Mund zusammen. So lange hatte ich schon in keinen mehr gebissen. Man muss sich vorstellen, es wuchsen die köstlichsten und exotischsten Früchte wie Papayas, Mangos oder Passionsfrüchte direkt im eigenen Garten, aber es gab keine Äpfel. Auch Früchte wie Birnen, Kirschen oder Pflaumen gediehen nicht, da sie Jahreszeiten benötigen.

Mitten auf unserer Pferdekoppel standen drei sehr große, alte Mangobäume. Diese Bäume trugen jährlich einmal Früchte. Es waren unvorstellbare Ernten! Ein Großteil fiel überreif auf den Boden. Dies gefiel natürlich unseren Pferden außerordentlich gut. Die reifen Mangos waren sehr süß und saftig. Vor allem unser Pony Apollo konnte von den Früchten nicht genug kriegen. Eines Mittags legte er sich auf der Weide in der prallen Sonne hin und stand stundenlang nicht mehr auf. Als er am Abend auch sein geliebtes Futter verweigerte, da dämmerte es uns. Er hatte sich mit Mangos überfressen. Von da an sammelten wir die überreifen Früchte vom Boden auf, denn das hätte leicht eine Kolik hervorrufen und schlimm ausgehen können.

Während meine Schwester zu Besuch bei uns war, feierte unser Dorf „Harvest“. Dieses Erntedankfest wird jeden Sonntag in einem anderen Dorf gefeiert. An diesem Tag wurde viel gekocht und gebacken. Jeder stattete in dem feiernden Dorf einen Besuch bei den Menschen ab, die er gerne mochte, oder auch nicht. Da wir den Brauch nicht brechen wollten, fingen auch wir früh morgens an zu kochen. Meine Schwester und ich brieten Berge von Hähnchen schlegeln und kochten Schüsseln voll Makkaroni. Doch im Laufe des Morgens fing es derart stark an zu regnen, dass kein Mensch sich aus dem Haus wagte. Nur ein paar wenige Nachbarn besuchten uns. Sie wurden reichlich von uns bewirtet und mit Getränken versorgt. Sie scheuten sich auch nicht, beim Verlassen zu fragen, ob sie noch ein oder zwei Bier mitnehmen dürften für zu Hause. Die Tage nach Harvest brauchten wir nicht mehr zu kochen. Es gab bei uns jeden Tag Harvest-Reste in allen Variationen. Danach beteiligte ich mich an keinen weiteren Harvest-Festen mehr.

Bei einer Inselrundfahrt wollten wir unseren Besuchern die Strände und Buchten zeigen, die sie noch nicht gesehen hatten. Wir baten ein einheimisches junges Mädchen, namens Gabriel, auf unser Haus und die Pferde aufzupassen, natürlich gegen Bezahlung. Alleine, ohne Aufsicht konnten wir das Haus leider nicht lassen. Denn wenn die Nachbarschaft bemerkte, dass wir alle weg fuhren, dann gingen sie bei uns auf Diebestour. Und sie bemerkten das immer. Einmal, als wir früher zurückkamen, hatten wir sie erwischt. Einer stand vorne an der Wegkreuzung „Schmiere“ und warnte den anderen, der sich noch in unserem Haus befand, durch Pfiffe. So  konnte dieser noch schnell vor unserem Eintreffen das Haus verlassen. Also beauftragten wir Gabriel, an diesen Tag auf unser Haus aufzupassen. Sie hatte uns schon des Öfteren kleine Dienste erwiesen.

Wir freuten uns alle auf diesen Ausflug und fuhren  bereits am Morgen los. Auch wir selbst hatten von der Insel noch nicht viel gesehen, weil wir uns einfach nie die Zeit dafür genommen hatten. Doch den heutigen Tag wollten wir so richtig genießen. An den schönsten Stränden hielten wir kurz an, manchmal schwammen wir eine Runde im Meer, oder tranken an einer Strandbar ein kaltes Bier.

Das letzte Stück unserer Rundfahrt führte uns direkt durch den Busch. Als wir durch ein kleines Dorf fuhren, passierten wir die Dorfkirche, deren Türen weit offen standen. Da wir sehr langsam fuhren, konnten wir die Kirchenmusik hören. Spontan hielten wir an, stiegen aus und näherten uns lauschend der Kirche. Für mich war dieser Gesang so überwältigend, dass ich Gänsehaut bekam. Zuerst stellten wir uns ganz leise in die offene Kirchentür. Eine Gospelgruppe sang, der Pfarrer spielte dazu Gitarre und die ganze Kirchengemeinde sang mit, wobei sie in die Hände klatschten und mittanzten. Manche hatten bereits ihre Schuhe ausgezogen. Diese Menschen waren mit ganzem Herzen dabei und strahlten so eine natürliche, innige Lebensfreude aus, dass es richtig unter die Haut ging. Der Pfarrer winkte uns herein, und nach der ersten Scheu sangen und tanzten wir bald mit diesen Menschen mit.

Ich habe dieses ergreifende Erlebnis bis heute nicht vergessen.

P.S.: Sind Sie bei Facebook? Dann werden Sie jetzt Fan von agência latinapress! Oder abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter und lassen sich täglich aktuell per Email informieren!

In „Abenteuer auf Tobago“ erzählt Solveigh Köllner von all den Abenteuern und Gefahren, aber auch von der einzigartigen Natur der Insel im karibischen Meer und den faszinierenden Eindrücken einer fremden Kultur.

© 2009 - 2024 agência latinapress News & Media. Alle Rechte vorbehalten. Sämtliche Inhalte dieser Webseite sind urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung von IAP gestattet. Namentlich gekennzeichnete Artikel und Leser- berichte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für Einsendungen und Rückmeldungen bitte das Kontaktformular verwenden.

Dies könnte Sie auch interessieren

Kommentarbereich

Hinweis: Dieser Kommentarbereich ist moderiert. Leser haben hier die Möglichkeit, Ihre Meinung zum entsprechenden Artikel abzugeben. Dieser Bereich ist nicht dafür gedacht, andere Personen zu beschimpfen oder zu beleidigen, seiner Wut Ausdruck zu verleihen oder ausschliesslich Links zu Videos, Sozialen Netzwerken und anderen Nachrichtenquellen zu posten. In solchen Fällen behalten wir uns das Recht vor, den Kommentar zu moderieren, zu löschen oder ggf. erst gar nicht zu veröffentlichen.

Leider kein Kommentar vorhanden!

Diese News ist älter als 14 Tage und kann nicht mehr kommentiert werden!